Zusammenfassung: Die Bevölkerung und vor allem JustizpraktikerInnen werden in Deutschland vergleichsweise selten zu ihren Strafeinstellungen befragt, obwohl die Themen Kriminalität und Strafe zweifellos populär sind und zunehmend auch wieder die politische Debatte mitbestimmen. Die Sozialpsychologie kann einen Beitrag zum Verständnis und zur validen Erfassung von strafbezogenen Bedürfnissen und Auffassungen leisten. Im vorliegenden Aufsatz werden die hierzu vielfach eingesetzten allgemeinen Fragen und Aussagen zur Messung von Strafeinstellungen problematisiert und die Vorzüge von fiktiven Fallgeschichten aufgezeigt. Auch werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, in fiktiven Szenarien die Strafreaktionen der StudienteilnehmerInnen zu erheben.
In der Praxis der Behandlung von Straftätern besitzt die Auseinandersetzung mit der Straftat einen hohen Stellenwert. Im Rahmen der "Straftataufarbeitung" wird das zurückliegende Delikt unter anderem mit dem Ziel rekonstruiert, dass der Täter Verantwortung für die Tat übernimmt und Opferempathie entwickelt. Während die Analyse des Delikts für diagnostische und prognostische Zwecke unerlässlich erscheint, lässt sich ihre rückfallprophylaktische Funktion hinterfragen: Weder Leugnen oder mangelhafte Verantwortungsübernahme noch geringe Opferempathie haben sich als Risikofaktoren der Rückfälligkeit erwiesen. Auch ist zu befürchten, dass der Fokus der deliktorientierten Behandlung auf vergangenes Fehlerverhalten sowie die negativen Aspekte der behandelten Person demotivierende oder gar stigmatisierende Wirkungen entfaltet. Das übliche Gruppensetting, in dem die Straftataufarbeitung erfolgt, könnte daneben in einigen Fällen schädliche Effekte haben. Der Beitrag fordert eine stärkere theoretische und empirische Fundierung der deliktorientierten Vorgehensweise, eine standardmäßige und explizite Begründung dieses Vorgehens und seiner Ziele im Einzelfall und die Entwicklung oder Adaptation von Behandlungsprogrammen für leugnende Straftäter.
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