ZusammenfassungSchmerzen sind ein negatives Widerfahrnis, das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln abgeschafft werden sollte. In westlichen Gesellschaften scheint diese Annahme einen hohen Grad an Plausibilität zu haben. Entsprechend hoch sind die Erwartungen, die an die Medizin herangetragen werden, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine dauerhafte und umfassende Befreiung von Schmerzen zu gewährleisten. Der chronische Schmerz lässt diese Erwartungen ins Leere laufen. Er konfrontiert nicht nur mit einer Vielzahl körperlicher Beschwerden, sondern auch mit der Begrenztheit menschlicher Einflussmöglichkeiten. Erfahrungen dieser Art lösen bei vielen Betroffenen eine Sinnkrise aus: Sie suchen nach einer Erklärung für ihren Schmerz, nach einem Sinn für ihr Leiden. Im vorliegenden Artikel soll die Bedeutung dieser Dimension in Hinblick auf schmerztherapeutische Formen der Begleitung besprochen werden. Wir werden aufzeigen, dass folgender Perspektivwechsel entscheidend ist: Die Rückwärts-Suche nach dem Warum sollte an Bedeutung verlieren zugunsten einer Vorwärts-Suche nach dem Wozu, d. h. nach dem, was dem Leben des Betroffenen auch dann Sinn und Bedeutung verleihen könnte, wenn frühere Möglichkeiten der Sinnerfüllung und Selbstverwirklichung verloren sind. Aufgabe und Herausforderung für die Medizin werden darin gesehen, den Betroffenen bei seiner Suche nach dem Wozu seines Lebens zu unterstützen, sich dabei weniger an Leitlinien zu orientieren, als vielmehr am Erkrankten.
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