Zusammenfassung.
In einer Zucht des Schmetterlings Pygaera pigra wurden lauter ♀‐Puppen, 39 an der Zahl, erhalten, während alle ♂‐Raupen zugrunde gingen. 11 der aus diesen Puppen ausschlüpfenden Weibchen wurden mit Männchen von pigra und solchen der verwandten Art curtula gepaart. Die elf Zuchten ergaben wieder lauter ♀‐Puppen, zusammen 226 Stück, dagegen keine einzige ♂‐Puppe. In sämtlichen Zuchten starben alle ♂‐Raupen, die meisten vermutlich an Tumoren. Bei 128 Raupen konnte durch Sektion festgestellt werden, dass es sich um Männchen handelte und dass die Tumoren die Todesursache waren. Dagegen konnte bei keiner ♀‐Raupe mit Sicherheit ein Tumor entdeckt werden.
Dass die Tumorkrankheit erblich bedingt ist, ist also klar, ebenso dass alle Weibchen, trotzdem sie phänotypisch gesund sind und von gesunden Männchen befruchtet werden, den Tumorfaktor vererben, und zwar allen ihren Söhnen, die zugrunde gehen und also von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden, und allen ihren Töchtern, die wiederum die Rolle von Konduktoren spielen. Ein solcher Vererbungsmodus ist bisher nicht bekannt. Er kann nicht als geschlechtskontrolliert betrachtet werden, und ebenso wenig kann man sich den Tumorfaktor als in einem der Geschlechtschromosomen lokalisiert denken. Denn in allen Fällen müssten — da der Vater ja immer gesund sein muss — auch gesunde Tiere entstehen. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Verf. sucht die Erklärung des eigentümlichen Vererbungsmodus in einer Entwicklung der Polkerne, die ja abortive Eier sind und sich bei vielen Insekten teilen können und sogar bestimmte Organe bilden. Er vermutet, dass die Teilung durch eine Mutation im Y‐Chromosom ausgelöst wird. Die Weibchen haben die Formel XY, und ihre Polkerne verschmelzen zu einem triploiden Kern XXY. Das im Y‐Chromosom mutierte Gen, das einen schnellen Mitoserythmus auslöst und rezessiv ist, vermag sich in der Gegenwart des X‐Chromosoms nicht zu manifestieren. Demzufolge entwickelt sich das Weibchen normal und die Polkerne verhalten sich auch normal, d. h. sie teilen sich einige Male und degenerieren bald. Aber jedes Weibchen vererbt das Y‐Chromosom allen seinen Töchtern, und so wird das mutierte Gen von Generation zu Generation durch phänotypisch gesunde Weibchen übertragen. Die Männchen haben dagegen die Formel XX und erzeugen einen triploiden Polkern mit der Geschlechtschromosomenkombination XYY. Hier hat das eine X‐Chromosom nicht die Macht die doppelte Wirkung der mutierten Gene in den beiden Y‐Chromosomen zu unter‐drücken, und die Polkerne fangen sofort an sich lebhaft zu teilen. Die zahlreichen Deszendenten der Polkerne können während der embryonalen Entwicklung in fast alle Teile des Raupenkörpers verlegt werden. Dort bilden sie infolge ihrer schnell sich wiederholenden Mitosen Zellaggregate, die sich unter dem Einfluss der Nachbargewebe in verschiedene Richtungen differenzieren. So entstehen die Tumoren. Es kann garnicht die Rede sein von einem spezifischen Tumorgen, wie solche bei Drosophila beschrieben wurden.
Für die Richtigkeit obiger Hypothese spricht d...