Zusammenfassung Ziel Durch die Digitalisierung gewinnen digitale Informationen zum Thema Gesundheit zunehmend an Bedeutung. Neben vielfältigen Chancen bringt diese Entwicklung auch Herausforderungen mit sich, denn mit dem wachsenden Angebot steigt zugleich der Bedarf an digitaler Gesundheitskompetenz (DGK). Im nachfolgenden Beitrag werden das Ausmaß der DGK in der Bevölkerung in Deutschland, zentrale Determinanten der DGK und Folgen für die Nutzung digitaler gesundheitsbezogener Informationsangebote analysiert. Methodik Die Analyse basiert auf Daten des zweiten Health Literacy Survey Germany (HLS-GER 2), bestehend aus einer repräsentativen Stichprobe mit n=2151. Die Erfassung der DGK, der Determinanten sowie der Nutzung digitaler gesundheitsbezogener Informationsangebote erfolgte mit einem im Rahmen der internationalen Vergleichsstudie HLS19 erarbeiteten Fragebogens. Es wurden bivariate und multivariate Analysen durchgeführt. Ergebnisse Insgesamt verfügen 75,8% der Bevölkerung über eine geringe DGK. Vor allem geringe literale Fähigkeiten, ein höheres Alter, eine niedrige Bildung sowie ein niedriger Sozialstatus gehen mit einer geringen DGK einher. Die multivariate Analyse weist zudem auf einen starken Zusammenhang zwischen DGK und allgemeiner Gesundheitskompetenz (GK) hin. Geringe DGK ist folgenreich und führt zu einer geringeren Nutzung digitaler gesundheitsbezogener Informationsangebote. Schlussfolgerung Die Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit der Förderung von DGK der Bevölkerung und besonders von Gruppen mit geringer DGK. Entsprechende Bemühungen sollten die allgemeine GK einbeziehen, denn sie steht in engem Zusammenhang mit der DGK. Auch um die noch geringe Nutzung digitaler Informationsangebote in Deutschland zu erhöhen und generell, um der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens zu entsprechen, stellt die Stärkung der DGK eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe dar.
Due to their rapid expansion and complexity, it is increasingly difficult for patients to orient themselves in health care systems. Therefore, patients require a high degree of health literacy, or more precisely, navigation health literacy (HL-NAV). The actual extent of HL-NAV of patients and citizens is still largely unknown due to the lack of adequate measurement instruments. Thus, within the new international Health Literacy Population Survey 2019 (HLS19), one aim was to develop a suitable instrument for measuring HL-NAV in the HLS19 the HL-NAV-HLS19. The item development was conducted by an international working group within the HLS19 Consortium led by the first and last authors. Methodologically, it is based on a scoping literature review, development of a conceptual framework for HL-NAV, and first item formation, as well as an evaluation by experts, stakeholders, focus groups, pre-test interviews, and continuously feedback from the HLS19 Consortium. HL-NAV was defined as the ability to access, understand, appraise, and apply information on navigational issues, drawing on ten selected publications and the health literacy definition of the HLS-EU Consortium. Main tasks of HL-NAV at the system, organization, and interaction level were identified, to which first related items were assigned. Based on the feedback from experts, the focus group discussions, and the HLS19 Consortium, the instrument was slightly revised. Finally, twelve items proved to be feasible in the pre-test. The instrument will be used for the first time in the HLS19 survey and will provide first data on HL-NAV in general populations for the countries participating in HLS19. It is suited for cross-country comparisons and monitoring, as well as for intervention development. However, the instrument should be translated into and validated in further languages and countries for population samples.
Zusammenfassung Hintergrund Menschen mit chronischen Erkrankungen (MmcE) sind mit vielfältigen Anforderungen der Krankheitsbewältigung und der Versorgungsnutzung konfrontiert. Entsprechend hoch ist ihr Bedarf an Information und auch an Gesundheitskompetenz (GK). Während das Thema international seit längerem die Aufmerksamkeit der Forschung findet, fehlen für Deutschland bislang Untersuchungen zur GK von MmcE. Ziel und Methode Ziel der vorliegenden Analyse ist es, die GK von MmcE in Deutschland vertiefend zu analysieren. Dazu wurden Querschnittsdaten von insgesamt 499 MmcE des deutschen Gesundheitskompetenzsurveys (HLS-GER) genutzt. Die GK wurde mit dem European Health Literacy Survey Questionnaire (HLS-EU-Q 47) erfasst. Potenzielle Unterschiede bei der Verteilung von GK wurden nach Geschlecht, Alter, Sozialstatus, finanzielle Ressourcen, Bildungsniveau und literale Fähigkeiten (gemessen mit dem Newest Vital Sign (NVS)) und krankheitsbezogenen Merkmalen (Krankheitsanzahl und -dauer) mittels Chi-Quadrat Test geprüft. Ebenso wurde der Einfluss dieser Faktoren auf GK bei MmcE mittels multipler logistischer Regression untersucht. Ergebnisse 72,7% der MmcE weisen eine geringe GK auf. Dabei variiert die GK stark nach den untersuchten Bereichen Krankheitsbewältigung/-versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung. Ein niedriger Sozialstatus (Odds Ratio (OR): 4,4 [1, 8; 10, 7]), geringe finanzielle Ressourcen (OR: 2,0 [1,2; 3,1]), limitierte literale Fähigkeiten (OR: 2,7 [1,4; 5,0]) sowie ein mittleres Bildungsniveau (OR: 0,5 [0,3; 0,9]) sind in der multiplen logistischen Regression mit geringer Gesundheitskompetenz assoziiert. Krankheitsanzahl und -dauer zeigen keinen signifikanten Zusammenhang mit geringer GK. Schlussfolgerung Die Analyse liefert erste Erkenntnisse für Deutschland, die künftig der Vertiefung bedürfen. Sie liefern aber schon jetzt wichtige Hinweise für die Interventionsentwicklung. Erforderlich ist es, zielgruppenspezifische Interventionen zur Stärkung der persönlichen GK von MmcE zu entwickeln, die sich speziell an chronisch Erkrankte mit niedrigem Sozialstatus, geringen finanziellen Ressourcen und eingeschränkter Literalität richten. Um Stigmatisierungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass Interventionen zugleich auf die Reduktion bestehender Anforderungen in der Lebensumwelt zielen und die Suche, Aneignung und Verarbeitung von Information erleichtern und damit zur Verringerung von Ungleichheiten beitragen.
No abstract
Background: People with chronic illness are particularly dependent on adequate health literacy (HL), but often report difficulties in accessing, understanding, appraising, and applying health information. To strengthen the HL of people with chronic illness, in-depth knowledge about how they deal with health information is crucial. Methods: To this end, quantitative data from the Second Health Literacy Survey Germany (HLS-GER 2) and qualitative data from seven focus group discussions were used to examine the interest in health information, preferred sources of information as well as experiences and challenges with information management among people with chronic illness. Results: The results show that people with chronic illness have a great interest in health information and use very different sources of health information, preferring personal information from physicians most. The results also point to several challenges in health information management that seem to be influenced by the illness duration as well as by the experiences made with the respective sources. Conclusions: Overall, the study provides important starting points for intervention development for the provision and communication of health-related information, but also to research on health information behavior and HL.
Zusammenfassung Ziel Im Mittelpunkt des Artikels stehen neue Befunde zur Gesundheitskompetenz (GK), die einen Vergleich der GK der Bevölkerung in Deutschland vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie und während ihres Anhaltens ermöglichen. Verglichen werden die allgemeine und die digitale GK. Daneben werden Veränderungen der GK in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen untersucht. Methodik Die Analysen basieren auf bevölkerungsrepräsentativen Querschnittsdaten, die 2019/2020 vor und 2020 während der Pandemie erhoben wurden. Dabei kam ein international weiterentwickelter und abgestimmter Fragebogen (HLS19) zur Messung der GK zum Einsatz, in dem erstmals in diesem Kontext auch die digitale GK in Deutschland erhoben wurde. Verände-rungen in den Gruppen wurden bivariat analysiert. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass sich die GK der Bevölkerung in Deutschland während der Pandemie gegenüber der Zeit davor tendenziell verbessert hat. Dieser Effekt ist besonders bei der Beurteilung von Gesundheitsinformationen und der digitalen GK zu sehen. Er ist bei Frauen, Menschen mit niedriger und mittlerer Bildung, jüngeren Bevölkerungsgruppen und Personen mit eigener Migrationserfahrung besonders stark ausgeprägt. Bei älteren Personen ist keine Veränderung zu verzeichnen und bei Personen mit mehreren chronischen Erkrankungen weisen die Ergebnisse sogar auf eine Verschlechterung hin. Schlussfolgerung Die systematische Auseinandersetzung mit den klar strukturierten, häufig wiederholten Gesundheitsinformationen während der Corona-Pandemie hat in Deutschland offenbar dazu geführt, dass sich die Gesundheitskompetenz verbessert hat und der Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen subjektiv als weniger schwierig eingeschätzt wird. Vor allem die Kompetenz zum Umgang mit digitalen Informationen ist gestiegen. Dabei gibt es teils große Unterschiede zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen.
Objectives People with chronic illness are particularly dependent on navigating and using the health care system. This requires navigational health literacy (HL-NAV). The article aims to examine the distribution and predictors of HL-NAV in a sample of chronically ill individuals. Methods Data of 1,105 people with chronic illness from the general population in Germany were collected in December 2019 and January 2020. HL-NAV was assessed by 12 items (score 0–100). Bivariate and multiple linear regression analysis were performed. Results HL-NAV score was 39.1 (SD 27.3). In bivariate analyses, HL-NAV was lower among chronically ill persons aged 65 or above, with low education, limited functional health literacy, low social status, financial deprivation, poor social support, multiple chronic conditions, and an illness duration of 6–10 years. In multivariate analyses, advanced age, lower education, less functional health literacy, lower social status, and less social support remained associated with lower HL-NAV. Discussion The results underline the importance of promoting HL-NAV among people with chronic illness. Strategies should aim at strengthening individual competencies taking into account the social and situational factors but also at reducing the demands placed on chronically ill people by providing user-friendly and trustworthy information on the health care system along the illness trajectory.
Zusammenfassung Hintergrund Trotz der hohen Bedeutung von Gesundheitskompetenz (GK) für die Bewältigung chronischer Krankheit steht die empirische Forschung zu diesem Thema in Deutschland noch am Anfang. Gleichzeitig fehlt es an einer systematischen Aufarbeitung des Forschungsstands, um Anhaltspunkte für die Ausrichtung der zukünftigen Forschung und Interventionsentwicklung zu gewinnen. Material und Methoden Deshalb wurde mit Hilfe eines Scoping Reviews eine systematisierte Literaturrecherche in internationalen und nationalen Fachdatenbanken durchgeführt. Die nach vorab festgelegten Einschlusskriterien berücksichtigten Studien wurden unter folgenden Kriterien analysiert: a) betrachtete Studienpopulationen, b) Konzeptualisierung und Messung von GK sowie c) bestehende Untersuchungsergebnisse. Ergebnisse Insgesamt konnten 22 Studien berücksichtigt werden. In ihnen wird GK primär bei ausgewählten, überwiegend prävalenten chronischen Krankheiten betrachtet und ausschließlich über selbsteingeschätzte Fähigkeiten im Umgang mit (digitaler) Gesundheitsinformation untersucht. Die GK ist mit zahlreichen gesundheitlichen Outcomes assoziiert. Wenig ist dagegen über die Determinanten von GK bei chronischer Krankheit bekannt. Schlussfolgerung Die Forschung über GK bei chronischer Krankheit in Deutschland hat in der Vergangenheit zwar zugenommen, erfolgt im Vergleich zu anderen Ländern aber immer noch eher verhalten und wenig systematisch. Auch deshalb fehlt es bislang an ausreichend empirischen Erkenntnissen über die individuellen und sozialen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die im Zusammenhang von GK mit chronischer Krankheit bedeutsam sind. Sie gilt es zukünftig verstärkt in den Fokus zu rücken.
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