Selbstverantwortung: Zusammenhänge mit Depression und Angst und Relevanz für das Behandlungsergebnis bei schwer depressiven Patient*innen in vollstationärer Behandlung

Abstract

Zusammenfassung Ziel der Studie Obwohl in den meisten Psychotherapieschulen eine hohe Selbstverantwortung (SV) der Patient*innen als Grundlage für den Erfolg einer Psychotherapie angesehen wird, gibt es für dieses Konstrukt weder eine einheitliche Definition noch eine psychometrische Operationalisierung; dementsprechend liegen auch keine empirischen Belege für die tatsächliche Bedeutung von SV in der Psychotherapie vor. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, (1) eine Definition von SV vorzuschlagen sowie einen Fragebogen für deren Messung zu entwickeln und (2) mit Hilfe dieses Instruments die Bedeutung der SV bei der Behandlung von Depressionen zu prüfen. Methodik In zwei Studien mit Stichproben gesunder Erwachsener (N=233 bzw. 301) wurde das „Selbstverantwortungs-Inventar“ (SV-I) entwickelt und dessen Korrelationen mit Depressivität und habitueller Angst geprüft. In einer dritten Studie wurde das SV-I Patient*innen vorgelegt, die sich wegen einer Depression in vollstationär-psychiatrischer Behandlung befanden (N=231). Die Behandlungen waren hauptsächlich psychotherapeutisch ausgerichtet. Ergebnisse Die finale Version des SV-I besteht aus drei Skalen mit jeweils 10 Items: „Fremdbestimmung“, „Selbstbestimmung“ und „Orientierung an den Erwartungen anderer“. Bei gesunden Erwachsenen geht eine geringe SV mit hoher Depressivität und hoher Ängstlichkeit einher. Die Patient*innen zeigten durchschnittlich eine geringere SV als die Gesunden. Während der Behandlung kam es in allen drei SV-I-Skalen zu einem Anstieg der SV. Je höher die bei der Entlassung erreichte SV war, desto stärker war der Rückgang der Depression von der Aufnahme bis zur Entlassung. Diskussion Das SV-I scheint geeignet für den Einsatz bei Gesunden und bei klinischen Gruppen zu sein. Unsere Befunde weisen darauf hin, dass eine geringe SV mit der Entwicklung psychischer Symptome und Erkrankungen zusammenhängt. Schlussfolgerung Eine hohe SV könnte ein bedeutsamer Faktor für den Erfolg einer Psychotherapie bei Depression sein; das SV-I könnte ein nützliches Instrument zur Untersuchung psychotherapeutischer Prozesse sein.

Selbstverantwortung in Partnerschaft und Sexualität. Eine empirische Studie

“…Konstruktion und Evaluation des SV-I werden ausführlich bei Maß et al (2022) beschrieben, an dieser Stelle erfolgt eine zusammenfassende Darstellung. Es wurden drei Studien durchgeführt.…”

“…Die früheren Validierungsstudien ( Maß et al 2022 ) weisen auf eine hinreichende Reliabilität und Validität des SV-I und dessen Zusammenhänge mit Depressivität und Ängstlichkeit hin. Die hier vorgelegten Analysen zeigen darüber hinaus, dass auch die Zufriedenheit der Probandinnen und Probanden in den ausgewählten Lebensbereichen signifikant damit zusammenhängt, wie viel Selbstverantwortung sie übernehmen.…”

“…Es ist daher nicht nachgewiesen, dass Selbstverantwortung die unabhängige und Zufriedenheit die abhängige Variable ist. Allerdings umfasste die bei Maß et al (2022) beschriebene Studie an depressiven Patient*innen zwei Messzeitpunkte, wodurch es möglich wurde, Vorhersagbarkeiten zu prüfen; dabei zeigte sich, dass der Rückgang der Depression mit der in der Therapie erreichten Selbstverantwortung korrelierte. Dies spricht dafür, dass auch die Zufriedenheit in den hier untersuchten Lebensbereichen von der Selbstverantwortung beeinflusst wird.…”

“…Auf dieser theoretischen Grundlage wurde das “Selbstverantwortungs-Inventar” (SV-I; Maß et al 2022 ) entwickelt. Es handelt sich um das erste psychometrische Verfahren zur Operationalisierung des Konstrukts Selbstverantwortung.…”