Es ist eine der anregenden Bemerkungen von William Thomas Mitchell, der Linguistic Turn Ludwig Wittgensteins verdanke sich einer Ikonophobie. 1 Die mit Wittgenstein einsetzende Verteidigung der Sprache gegenüber dem Visuellen und die errungene Dominanz der Sprachanalytik haben einige Jahrzehnte der philosophischen Reflexionspraxis geprägt und sich mitunter als eine Form des Bildersturms begriffen, etwa wenn die visuelle Metaphorik vollständig aus der Sprache zu verbannen unternommen wurde. Derartige Versuche, das Denken auf eine vermeintlich solide Basis zu stellen, um dem Treibsand des Mehrdeutigen zu entkommen, ist dem Betrachter der Moderne seit Descartes' Programm, alles tradierte Wissen einer Revision zu unterziehen, geläufig. Der Eifer, mit dem derartige Rationalisierungsprojekte angegangen werden, kann den mit der Philosophiegeschichte Vertrauten ebenso wenig überraschen, wie ihr Scheitern und die hartnäckige Präsenz des vermeintlich aus dem Reflexionsraum Ausgeschiedenen. Der Pictorial Turn war für den gelassenen Betrachter daher nur eine Frage der Zeit. 2 Die Wiederkehr der Bilder im Sinne eines Iconic Turn war zu erwarten. 3 Dennoch bedeuten derartige Paradigmenwechsel mehr als einen Wandel der intellektuellen Vorlieben. Vielmehr wird um differierende Geltungsräume gestritten, in denen sich der Mensch aufgrund seiner Fähigkeit, sich mit Hilfe von Bildern oder Sätzen orientieren zu können, zu bewegen vermag. Bilder sind nicht länger das, was die Metapher lange Zeit für die Rhetorik war: bloße Ausschmückung. Bilder sind mehr als Surrogate, die dort einspringen, wo begriffliches Denken nicht ausreicht oder in Aporien fuhrt. Bilder gehören vielmehr zum Grundbestand des Bewußtseins, sie stellen die erste Schicht der Bedeutungsbildung dar, die mit dem Imaginären identisch ist. 4Mit der Rehabilitierung des Bildes tritt überhaupt der Reichtum des nichtpropositionalen Weltbezugs allmählich wieder in Erscheinung:Jenseits der Sprache existieren gewaltige Räume von Sinn, ungeahnte Räume der Visualität, des Klanges, der Geste, der Mimik und der Bewegung. Sie benötigen keine Nachbesserung oder nachträgliche Rechtfertigung durch das Wort. 5