Soziale Kognition und soziales Bewusstsein

Abstract

Die kognitive Neurowissenschaft hat sich in den letzten Jahren mit dem Selbstbewusstsein und der Intersubjektivität Untersuchungsgegenständen zugewandt, die vormals klassische Themen der Philosophie waren. Soziale Kognition soll hier als Oberbegriff benutzt werden für kognitive Leistungen der Selbst-Fremd-Differenzierung und des Selbst-Fremd-Austauschs. Eine wichtige Unterscheidung, die auch im Hinblick auf Störungsphänomene relevant ist, betrifft die Stufen der Verarbeitung, die entweder intuitiv-präreflexiv oder inferentiell-reflexiv stattfinden kann. Werden diese sozial kognitiven Prozesse subjektiv erlebbar und reflektierbar, kann auch sinnvoll von sozialem Bewusstsein gesprochen werden. Nicht-bewusste und bewusste Prozesse greifen dabei ineinander und konstituieren so unsere sozial kognitiven Leistungen. Unter der Annahme der Naturalisierbarkeit dieser Leistungen hat sich hier das Forschungsprogramm der sozialen Neurowissenschaft etabliert, die sich um die Identifizierung der beteiligten neuralen Mechanismen bemüht. EinleitungDas Thema der sozialen Kognition und des sozialen Bewusstseins ist eingebettet in die Frage nach den Funktionen des qualitativen bewussten Erlebens. Der Phäno-menbereich des Sozialen oder des Intersubjektiven bzw. der Bereich der sozialen Kognition kann also als eine Funktion unseres bewussten Erlebens verstanden werden. Es handelt sich dabei um eine interdisziplinäre Problemstellung. In der philosophischen Tradition hat sich insbesondere George Herbert Mead mit dem sozialen Bewusstsein beschäftigt und hat eine enge Kopplung der Individual-