Zusammenfassung Die Frage der Primfaktorzerlegung in Unterringen der komplexen Zahlen und der unmittelbar damit zusammenhängenden Sätze wird in der heutigen Algebra ohne grossen Aufwand und fast nebenbei behandelt: Studierende haben damit auch kaum Schwierigkeiten. In der Geschichte allerdings verlief die Entwicklung alles andere als gradlinig. Ein genauerer Blick auf die historischen Einzelheiten erlaubt interessante und in vielerlei Hinsichtüberraschende Einsichten in die vertrackte Art und Weise, wie sich Mathematik manchmal entwickelt. Hier soll diese Geschichte erzählt werden, wie sie sich aus den neueren mathematikhistorischen Forschungen von H.M. Edwards, R. Bölling, O. Neumann und F. Lemmermeyer ergibt, und zwar auf einem Niveau, das einem Mathematikstudierenden nach einer Algebra-Vorlesung zugänglich ist. Einleitung Die hier beschriebenen Vorgänge sind in der mathematischen und der mathematikgeschichtlichen Literatur oft angesprochen worden. Dabei haben sich am Anfang des 20. Jahrhunderts Legenden festgesetzt, die auch von sonst ernstzunehmenden Autoren wie Leonard Eugene Dickson, Felix Klein, Nicolas Bourbaki u. a. in ihren Beiträgen zur Mathematikgeschichte wiederholt wurden. Diese auf David Hilbert und Kurt Hensel (siehe [10, 12]) zurückgehenden Legenden behaupten, dass Eduard Kummer seinerzeit die eindeutige Primfaktorzerlegung in Ringen von Einheitswurzeln für einen-falschen-Beweis der Fermat-Vermutung verwendet habe und dann von Dirichlet auf den Irrtum aufmerksam gemacht worden sei. Erst 1975 hat Harold M. Edwards (siehe [7]) in seinen sorgfältigen Analysen die Unhaltbarkeit dieser