ZusammenfassungDie Inter- und Transdisziplinarität (ITD) hält seit längerer Zeit Einzug in die Politikwissenschaft und obgleich diese sich regelmäßig mit ihrem Selbstverständnis auseinandersetzt, sind die Konsequenzen von ITD für Forschung und Forschende bislang noch nicht systematisch betrachtet worden. Um Impulse für diese Debatte zu setzen, konzeptualisieren wir ITD als Spektrum zwischen Wissensintegration, Anwendungsbezug und Beteiligung. Wir nutzen die Normenforschung der Internationalen Beziehungen (IB) als theoretischen Referenzrahmen, um die ITD als normative Dynamik zu beschreiben, zu analysieren und zu reflektieren. Autoethnografisch und mittels teilnehmender Beobachtung untersuchen wir ITD als normative Dynamik anhand von drei Forschungsprojekten im Bereich der Nachhaltigkeit. Konkret fragen wir, welche Implikationen die ITD für Forschende und Forschung in der Politikwissenschaft hat. Im Ergebnis zeigt sich, dass ITD sowohl Chancen als auch Herausforderungen bietet. Vor dem Hintergrund der Wissensintegration diskutieren wir die Bedeutung einer an den großen gesellschaftlichen Fragen teilhabenden Politikwissenschaft im Kontrast zu den Präferenzen der ITD für ein bestimmtes Wissens- und Forschungsverständnis. Den Anwendungsbezug der ITD reflektieren wir im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Problemlösung und Outputorientierung. Zudem betrachten wir das Teilhabepostulat der ITD und wägen potenzielle demokratisierende Effekte mit den Bedingungen ab, unter denen diese realisiert werden könnten. Abschließend gehen wir darauf ein, wo weitere Forschung sinnvoll erscheint, um die Reflexion über ITD weiter fortzuschreiben.