ZusammenfassungKinder erlernen soziales Verhalten u. a. im schulischen Kontext indem sie mit anderen SchülerInnen interagieren. Insbesondere vor dem Hintergrund der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention stellt sich die Frage, ob sich SchülerInnen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) innerhalb inklusiver Klassen sozial anders verhalten als innerhalb von Klassen ohne SchülerInnen mit SPF. Mit Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zeigt sich in mehrebenanalytischer Betrachtung, dass SchülerInnen ohne SPF in inklusiven Klassen nicht von höherem prosozialem Verhalten berichten, aber von höherem Problemverhalten im Umgang mit Gleichaltrigen als ihre Peers in nicht-inklusiven Klassen. Darüber hinaus fällt ihr Problemverhalten im Umgang mit Gleichaltrigen umso höher aus, je inklusiver die Klassenkomposition gestaltet ist. Dies lässt sich über die sozioökonomische Klassenkomposition erklären, indem in inklusiven Klassen ein bedeutsam höherer Anteil an SchülerInnen mit niedrigem sozioökonomischen Status zu finden ist als in nicht-inklusiven Klassen. Die ethnische Klassenkomposition kann dagegen nicht als Erklärung herangezogen werden.
Vergleiche in sozialen Interaktionen sind zentral für das individuelle Selbstwertgefühl. Inwiefern heterogene Bezugsgruppen hinsichtlich sozialen und ethnischen, aber auch körperlichen, geistigen und kognitiven Merkmalen und Voraussetzungen, wie sie nicht erst seit Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Klassen des allgemeinen Bildungssystems zu finden sind, das Selbstwertgefühl bedingen, ist noch unzureichend beantwortet. Qualitative Studien zeigen bislang, dass Schüler:innen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) selbstwertförderliche Erfahrungen machen, sobald sie eine inklusive Umgebung besuchen. Quantitative Arbeiten deuten dagegen auf einen negativen Zusammenhang zwischen inklusivem Lernkontext und individuellem Selbstwertgefühl hin. Allerdings wurden in bisherigen Arbeiten meist nur Merkmale des Lernkontextes oder des Individuums als Prädiktoren herangezogen. Mit Daten des Nationalen Bildungspanels wird daher untersucht, ob Zusammenhänge zwischen dem Besuch einer inklusiven Klasse an Regelschulen und dem Selbstwertgefühl von Schüler:innen ohne SPF unter Kontrolle individueller und kontextueller Merkmale bestehen. Mehrebenenanalysen zeigen, dass Schüler:innen ohne SPF generell und auch bei einer zunehmend inklusiven Klassenkomposition von einem geringeren Selbstwertgefühl berichten als Peers in Klassen ohne Schüler:innen mit SPF. Dieser Zusammenhang besteht nicht mehr, sobald für den besuchten Bildungsgang und die sozioökonomische Klassenkomposition kontrolliert wird.
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