M ittheilnngen. 83. E m i l F i s o h e r : Untersuohungen iiber Aminosauren, Polypeptide und ProteYne I),nortrag, gehalten vor der Deutsch. chemisch. Gesellsch. am 6. Januar 1906.1 Pvleine Herren! Da die Protei'nstoffe bei allen chemiechen Processen im lebenden Organismus auf die eine oder andere Weise betheiligt sind, so darf man von der Aufkliirung ibrer Structur und ibrer Metamorphoeen die wichtigsten Aufschliisse fiir die biologiscbe Chemie erwarten. Es ist deehalb kein Wunder, dass das Studium jener Stoffe, ron dern die Chemiker sich seit langer als einem Menschenalter fast ganz zuriickgezogen haben, weil sie lohnendere Arbeit in der Ausbildung der synthetiechen Methoden oder dem Studium einfacherer natiirlicher Verbindungen fanden, von den Physiologen in immer steigendem Maasse und mit unverkennbarem Erfolge geptlegt wurde. Trotzdem werden die Eingeweibten niemals daran gezweifelt haben, dass die organieche Chemie, deren Wiege bei den Proteynen gestanden hat, sich ibnen schliesslich wieder zuwenden werde. Nur iiber den Zeitpunkt, wo ein Zneammenwirken von Biologie und Chemie erfolgreich sein werde, gingen und gehen noch heute die Ansichten auseinander.W iihrend vorsichtige Fachgenossen befiirchten, dass eine rationelle Bearbeitung dieser Korperklasse durch ibre verwickelte Zusammensetzung und ibre hochst unbequemen pbysikaliecben Eigenschaften heute noch auf uniiberwindliche Schwierigkeiten stossen werde, neigen andere, optimistisch veranlagte Beobachter, zu denen ich mich zahlen will, zu der Ansicht, dass man wenigatens den Versuch machen 8011, rnit allen Hiilfemitteln der Gegenwart die jungfriiuliche Feste zu belagern; denn nur durch das Wagniss selbet kann die Grenze fiir die Leistungsfahigkeit unaerer Methoden ermittelt werden. Der niichternen Kritik wird man allerdings nicht das Recht verwehren konnen, die Auesicht auf den Erfolg zu discutiren, indem sie die jeweiligen Henntnisee rergleicht mit dem, was zur Erreichung des Zieles nothwendig ist.