Vermischung von Politik und Wissenschaft in der DDR. Die Untersuchung der Todesfälle an der Leipziger Neurologisch-Psychiatrischen Universitätsklinik unter Müller-Hegemann 1963

Abstract

This study presents archival sources that shed light on a topic still being discussed by psychiatrists in East Germany: the death of two patients at the Leipzig Department that occurred in 1960 and 1962 under the directorship of Dietfried Müller-Hegemann. These fatalities were supposed to have been induced by obsolete psychotropic drugs and were associated with Ivan Pavlov's hypnotherapy. The incidents were investigated both by highest administrative bodies and the General State Prosecutor of the former GDR. Archival sources suggest that lower party organs and the ministerial administration tried to make use of the proceedings to bring about the downfall of the head of the Leipzig Department, who had become ideologically suspicious. However, the official General State Prosecutor's investigation ascertained that both Müller-Hegemann and Christa Kohler, head of the psychotherapeutic ward, were not to be held responsible. Although the SED Central Committee at first tried to influence the outcome on the basis of ideological reservations made by the university party organisation, it finally accepted and confirmed the judgment of the General State Prosecutor. Hence, in this case, the highest party bodies followed arguments that were the result of an independent investigation and were not influenced by an individual bias or ideological motives.

Eine frühe sozialpsychiatrische Schrift in der DDR

“…Jedoch könne auch mit der Hilfe von Psychotherapie, wobei wiederum das Wort die Rolle von Reizen übernehme, ein Ausgleich, ein bewusstes Verlernen von Krankhaftem herbeigeführt werden. Im Pawlowʼschen Sinne als Reizentzug ließ Müller-Hegemann in seiner Klinik die Schlaftherapie durchführen, bis es zu 2 Todesfällen kam, infolge deren staatlicher und kriminalistischer Untersuchung er die Klinik verließ, wenngleich nicht nachgewiesen werden konnte, dass die beiden Patienten in der Folge einer fahrlässigen Intoxikation verstarben [3,4]. Durch unterschiedliche Auffassungen unversöhnlich getrennt, konnten Kohler und Müller-Hegemann die beiden gemeinsamen sozialpsychiatrischen Ansätze nicht verbinden.…”

Die Theorie und Praxis der Pawlow'schen Schlaftherapie in der DDR

“…B. [16]), setzte er in der Praxis ein eher "unmodernes" Präparat ein [6]. Kaliumbromid hatte vor allem als Anfallshemmer bereits Mitte des 19.…”

“…Nahezu zeitgleich waren mit dem Bromalin und dem Bromipin die ersten Brom-Kombinationspräparate in die psychiatrischen Kliniken gelangt ( [32,33], S. 77-82). Im Juni 1963 gelangt die Generalstaatsanwaltschaft der DDR zu der Ansicht, dass trotz mangelhafter Erfüllung der Sorgfaltspflicht seitens Müller-Hegemanns und seiner Ärzte "in keinem Fall der Tod eines Patienten herbeigeführt worden sei" [6]. Trotzdem sah er aufgrund der Zerrüttung mit den Kollegen seine Tätigkeit in Leipzig und damit seine akademische Karriere als beendet an und ging 1964 als Direktor des Wilhelm-Griesinger-Krankenhauses nach Ost-Berlin und verließ 1971 die DDR.…”

“…Dies trug in der Leipziger Klinik zu Konflikten mit ärztlichen Mitarbeitern bei, die sich für konzeptionelle Reformen zu engagieren versuchten. In der Konsequenz verließen einige Kollegen die Klinik, manche auch die DDR [6]. Sein psychotherapeutisches Konzept folgte den Theorien einer sog.…”

Karl Leonhard hat „kein Interesse!“ – Hintergründe über das Rodewischer Symposium aus neu aufgetauchten Quellen

“…Das vormalige SA-und NSDAP-Mitglied [12], das 1961 in der DDR-Zeitschrift Deine Gesundheit den Mauerbau als "vorbeugenden Gesundheitsschutz" für die DDR-Bürger bezeichnete, da er diese in einer Art "Quarantäne" vor dem Einfluss des Kapitalismus bewahre [13], hatte doch zeitgleich mit der Zensur des Rodewischer Symposiums die Beseitigung des politisch erst linientreuen [14], inzwischen aber längst missliebigen Dietfried Müller-Hegemann (1910 -1989) als Chef der Leipziger Universitätspsychiatrie zu besorgen. [15]. Die nur eingeschränkte Zulassung von BRD-Teilnehmern kann dadurch motiviert gewesen sein, dass das Thema des Symposiums erwarten ließ, dass die eklatanten Mängel in der psychiatrischen Versorgung der DDR zur Sprache kommen würden.…”