Biopolymere wie Proteine und Nukleinsäuren sind aus enantiomerenreinen Monomeren aufgebaut. [1] Der Ursprung des biomolekularen Symmetriebruchs -ein entscheidender Schritt für den Beginn allen Lebens auf der Erde -ist bisher nicht bekannt. Neben verschiedenen zufälligen [2] und deterministischen [3] Hypothesen schlägt ein weit verbreitetes photochemisches Modell vor, dass chirale Photonen in Form von circular polarisiertem (CP-) Licht einen Enantiomerenüberschuss in chirale organische Moleküle induzieren kçnnen. Zu diesem Modell zählt auch die enantioselektive Photolyse. [4][5][6][7] Es wird angenommen, dass asymmetrische photochemische Reaktionen interstellarer organischer Verbindungen bereits vor deren Transport auf die frühe Erde stattfanden. [8] Demzufolge interagiert interstellare CP-Strahlung, ähnlich der CP-Strahlung wie sie in der sternenbildenden Region des Orions nachgewiesen werden konnte, [5,9] asymmetrisch mit chiralen organischen Verbindungen, welche im interstellaren Eis [10] und in kohlenstoffhaltigen Meteoriten identifiziert wurden. [11] In chiralen Molekülen absorbieren beide Enantiomere die photolyseauslçsenden CP-Photonen, doch hat eines der beiden Enantiomere einen geringfügig kleineren Absorptionskoeffizienten. Dieses Enantiomer wird weniger schnell photochemisch zersetzt als sein Antipode und daher angereichert. Der dabei induzier-bare Enantiomerenüberschuss (ee) ist von der Umsatzvariablen x und dem Anisotropiefaktor g, definiert als De/e, dem Verhältnis aus differentiellem Absorptionskoeffizienten De und dem Absorptionskoeffizienten e, abhängig. Intensität und Vorzeichen von g werden allerdings durch die Wellenlänge des CP-Lichtes determiniert. Wir zeigen erstmals Anisotropiespektren von Aminosäuren als Funktion der Wellenlänge g(l), welche durch die Präparation von isotropen und amorphen Filmen im Spektralbereich zwischen 130 und 350 nm am Synchrotronzentrum ASTRID der Universität Aarhus (Dänemark) aufgenommen wurden. Die Anisotropiespektren dieser Aminosäuren in fester Phase weisen verschiedene Nulldurchgänge, Extrema und g-Werte bis zu 0.024 auf. Die Anisotropiespektren erlauben 1) die Vorhersage des Vorzeichens induzierter ee-Werte, 2) die Bestimmung von Kinetik und ee-Werten enantioselektiver Photolysereaktionen und 3) die Wahl der Wellenlänge des CP-Lichtes, die einen Enantiomerenüberschuss zu induzieren vermag.Die enantioselektive Photolyse einer racemischen Mischung durch CP-Licht entspricht einer asymmetrischen Transformation, welche durch zwei konkurrierende Reaktionen pseudo-erster Ordnung mit den Geschwindigkeitskonstanten k R und k S für das R-und S-Enantiomer beschrieben werden kann. [4] Die Geschwindigkeitskonstanten verhalten sich proportional zu ihren molaren Absorptionskoeffizienten (e R und e S ). Die Effizienz einer enantioselektiven Photolyse ist abhängig von der Differenz aus k R und k S oder, wie in diesem Falle bereits von Kuhn aufgezeigt, [12] abhängig vom Anisotropiefaktor g [Gl.(1)]. [4,6] Erst kürzlich bewiesen Nakamura et al., dass Gleichung (1) ebenso für Rea...