Zusammenfassung
Einleitung Gestörtes Essverhalten oder klinisch relevante
Essstörungen in Verbindung mit Typ 1 Diabetes haben schwerwiegende
Folgen für die Qualität der Stoffwechseleinstellung und die
langfristige gesundheitliche Prognose Betroffener. Eine frühzeitige
Diagnose und qualifizierte therapeutische Interventionen können bereits
bei gestörtem Essverhalten dazu beitragen, vorzeitige
mikrovaskuläre Schädigungen zu vermeiden. In dieser Studie
wurden für eine Gruppe junger Menschen mit Typ 1 Diabetes, die an einem
4-tägigen Camp teilnahmen, die Prävalenz essgestörten
Verhaltens und die spezifische psychosoziale Versorgungssituation
untersucht.
Material und Methoden Während eines bundesweit ausgeschriebenen
Diabetescamps für junge Menschen (16–29 Jahre) beantworteten die
Teilnehmenden Fragen zu ihrer aktuellen Diabetesbehandlung, zu
diabetesspezifischen Belastungen (PAID-5) sowie zur psychosozialen Versorgung im
Rahmen der ambulanten Langzeittherapie. Symptome gestörten Essverhaltens
wurden mit einem diabetesspezifischen Screeningfragebogen, dem Diabetes Eating
Problem Survey-Revised (DEPS-R), erhoben. Eine lineare multiple Regression wurde
berechnet, um Prädiktoren gestörten Essverhaltens zu
identifizieren.
Ergebnisse An der Umfrage beteiligten sich 308 junge Menschen mit Typ 1
Diabetes (Alter 21,4±3,4 Jahre; 73% weiblich; Diabetesdauer
10,2±5,9 Jahre; 74% in internistischer Behandlung). Bei
28,2% der Befragten ergaben sich Hinweise auf ein gestörtes
Essverhalten (17% der Männer, 32% der Frauen).
Teilnehmende mit einem auffälligen Summenwert im DEPS-R wurden nur zu
7% entsprechend psychologisch betreut. Das HbA1c, der BMI, die
diabetesspezifischen Belastungen, das Alter, die Diabetesdauer sowie das
Geschlecht erwiesen sich als signifikante Prädiktoren für das
Ausmaß gestörten Essverhaltens.
Diskussion Unter den Teilnehmenden eines Diabetescamps für junge
Menschen zeigten sich bei über einem Viertel Hinweise auf ein
gestörtes Essverhalten. Insgesamt waren davon junge Frauen
häufiger betroffen, weitere relevante Risikofaktoren waren ein
erhöhter BMI, ein höheres HbA1c und stärkere
diabetesspezifische Belastungen. Nur ein sehr geringer Anteil der jungen
Menschen mit Typ 1 Diabetes und gestörtem Essverhalten erhielt
psychologische Unterstützung.
Schlussfolgerung In der ambulanten diabetologischen Versorgung sollten
diabetesspezifische Screeninginstrumente und/oder gezielte
Screeningfragen insbesondere bei jungen Frauen regelmäßig
eingesetzt und die Ergebnisse mit den Betroffenen im Hinblick auf eine
weiterführende Behandlung besprochen werden.