ZusammenfassungIngolfur Blühdorn hat in den vergangenen Jahren in vielen kritischen Beiträgen die These vertreten, dass wir uns entgegen den „naiven Hoffnungserzählungen“ der transformativen Nachhaltigkeitsforschung in einem strukturell geschlossenen System der „nachhaltigen Nicht-Nachhaltigkeit“ bewegen. Sein Forschungsinteresse zielt auf die Klärung der Frage, warum sich dieses System der „Nicht-Nachhaltigkeit“ trotz des gestiegenen Umweltbewusstseins und aller Nachhaltigkeitsaktivitäten über Jahrzehnte hinweg so stabil halten konnte und welche politischen Konsequenzen sich daraus ergeben. Der für ihn zentrale Erklärungsfaktor ist dabei – als Nebenfolge sozio-kultureller Modernisierungsdynamiken – die Radikalisierung von Selbstverwirklichungsansprüchen, die konsumtive, nicht-nachhaltige Identitäten und Lebensstile zu unverhandelbaren Voraussetzungen demokratischer Politik werden lassen. Das führe zwangsläufig zur Transformation der Demokratie in ein „postdemokratisches“ Instrument der Verschärfung von Ungleichheit und Exklusion, was aber durch „simulative Nachhaltigkeitspraktiken“ und „Praktiken der Selbstillusionierung“ überdeckt werde. Der Beitrag rekonstruiert die zentralen Argumentationsschritte dieses Ansatzes und diskutiert seine zentralen Annahmen, insbesondere die der „Emanzipation zweiter Ordnung“ und der „postdemokratischen Wende“. Diese Annahmen erweisen sich, so das Ergebnis dieser Diskussion, sowohl historisch wie theoretisch als unhaltbar. Damit führt auch Blühdorns Versuch, die Widersprüchlichkeiten und Blockaden von Nachhaltigkeitstransformationen zu begreifen, ins Leere. Die Frage ist, was sich aus dem Scheitern dieses Ansatzes lernen lässt und welche Desiderate der sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung sich daraus ergeben.