Blättert man nur flüchtig in den Beiträgen zu Psychotherapie und Psychoanalyse, die in den letzten 25 Jahren in der Zeitschrift für Sexualforschung erschienen sind, dann bemerkt man, dass diese nicht der Behandlung sexueller Störungen im engeren Sinne gewidmet sind, sondern viel weitergehender dem Umgang mit sexuellen Problemen und den Fragen, welche dieser Probleme überhaupt einer Behandlung bedürfen und in welchem gesellschaftlichen Kontext solche Behandlungen erfolgen. Inhaltlich beziehen sich die Beiträge auf drei Patientengruppen: Patienten, die unter sexuellen Hemmungen leiden -sie werden meist als Störungen der Sexualität des Paares im Paar-Setting behandelt. Patienten, die therapeutische Begleitung bei "Geschlechtsumwandlung" oder "Geschlechtsangleichung" benötigen (auch hier verlieren die Autoren den gesellschaftlichen Kontext des jeweiligen Geschlechterdiskurses nicht aus den Augen), und Patienten, bei denen eine Störung der Sexualpräferenz diagnostiziert wird. Bei dieser dritten Gruppe ist der gesellschaftliche Kontext besonders wichtig, vor allem beim Umgang mit Formen von Sexualpräferenz, die zu gesellschaftlichen (Straf-) Sanktionen führen. Die Zeitschrift scheint somit den von Volkmar Sigusch im ersten Heft (1988) formulierten programmatischen Anspruch einer "kritischen Sexualwissenschaft" eingelöst zu haben. Ich werde versuchen, das an prägnanten Beispielen aus den genannten drei Themenkreisen darzustellen. 1 Neben diesen drei nach Patientenproblemen geordneten Gruppen sollen aber auch interessante Arbeiten über wichtige Hintergründe psychotherapeutischer Ansätze -das Konzept des Triebes, des Traumas und der Weiblichkeit in der Psychoanalyse -Thema dieser zusammenfassenden Würdigung sein.JUBILÄUMSBEITRAG 151