Endgeschichtliche Parousieerwartung und Heilsgegenwart im Neuen Testament in ihrer Bedeutung für eine christliche Eschatologie

Futurische und Präsentische Eschatologie im Ältesten Urchristentum

“…Aber darum besteht noch kein Recht, den zeitlichen Zukunftscharakter dieser Verkiindigung dadurch aufzuheben, daB man Jesu Rede von bestimmten Ereignissen der fiir alle Menschen gleichen Zukunft zu Aussagen iiber die Struktur meines Verhaltnisses zur Zukunft umdeutet, also die Aussage iiber ein Geschehen in der Zeit zur Aussageform iiber mein ZeitbewuBtsein werden laBt. 1 Und man kann auch nicht die Erwartung der baldigen Parusie als 'Rest des jiidisch eschatologischen Geschichtsbildes' bezeichnen, dem gegeniiber der eigentliche neutestamentliche Heilsglaube 'nicht das Abrollen der Zeit, sondern das Gegenuber mit Christus, bzw.…”

“…Gott' zum Gegenstand habe. 1 Denn gerade die Verkiindigung von der Gegenwart als eschatologischer Gegenwart angesichts einer streng zeitlich als nahe erwarteten eschatologischen Zukunft ist die Form fur die urchristliche Verkundigung von Gottes eschatologischem Heilshandeln in Jesus Christus. Darum hat sich zwar in den nachpaulinischen neutestamentlichen Schriften die Betonung der eschatologischen Erfullung in der geschichtlichen Vergangenheit des Menschen Jesus und der geschichtlichen Gegenwart der Gemeinde Christi verstarkt, aber die Erwartung der nahen Heilsvollendung ist bis hin zur johanneischen Theologie die sinngebende Grenze der prasentischen Heilsaussage geblieben.…”

“…Dabei sind nicht die verschiedenen Annahmen bedeutsam, nach denen die Zukunftsaussagen Jesu und der Urchristenheit gar nicht im zeitlichen Sinn gemeint sein konnten, weil das gottliche Handeln nicht endzeitlich, sondern nur iiberzeitlich sein konne. 1 Denn der Tatbestand, daB sowohl Jesus wie die ersten Christen mit einer in der Zeit sich vollziehenden Zukunft rechneten, ergibt sich aus der unvoreingenommenen Betrachtung der Texte so eindeutig, daB diese vollige Eliminierung der zeitlichen Zukunftserwartung sich nicht durchsetzen konnte. Bedeutsam dagegen ist die ebenfalls in verschiedener Form vertretene Annahme, daB am Anfang der urchristlichen Verkiindigung die Uberzeugung gestanden habe, Gottes eschatologisches Vollendungshandeln vollziehe sich in der Gegenwart Jesu und den unmittelbar bevorstehenden geschichtlichen Ereignissen, wahrend die bei Paulus zuerst deutlich erkennbare Erwartung eines baldigen apokalyptischen Endgeschehens auf das Wiedereindringen jiidischer Vorstellungen zuruckgehe.…”

“…1 Die eschatologische Naherwartung wird also hier deutlich aus weltanschaulichen und nicht aus exegetischen Griinden Jesus abgesprochen, und klingt dabei ein wesentlicher Gedanke der oben genannten neuesten Geschichtskonstruktion an, so zeigt sich nicht viel spater auch schon der Verweis auf das Johannesevangelium als den zuverlassigeren Zeugen der eschatologischen Anschauung Jesu: Karl Hase hat in dem ersten Lehrbuch des Lebens Jesu 1829 durch die Synoptiker erganzen. 1 Bleibt so die Bestimmung des geschichtlichen Verhaltnisses der synoptischen und der johanneischen Form der Verkiindigung Jesu eine noch weithin ungeloste Aufgabe, so kann aber die Frage nach der Rolle der futurischen Naherwartung bei Jesus und im altesten Urchristentum auf keinen Fall von der Voraussetzung aus beantwortet werden, daB man den geschichtlichen Wert der synoptischen Tradition durch den Vergleich mit den Grundanschauungen des Johannesevangeliums priifen konne. Wenn daher die johanneische Eschatologie nicht der MaBstab fur die alteste Uberlieferung sein kann, so laBt sich diese alteste Uberlieferung aber erst recht nicht gewinnen, indem man einfach auf die Nachrichten in dem Bericht iiber die Urgemeinde in Apg.…”

“…Denn auch dann, wenn das formgeschichtliche Argument nicht beweiskraftig sein sollte, daB die apokalyptischen Bestandteile von Mark xiii und Parallelen sich darum als spaterer Zuwachs zur Tradition erweisen, weil sie nicht aus der besonderen eschatologischen Geschichtsanschauung Jesu heraus formuliert sind, kann kein Zweifel dariiber herrschen, daB der Zusammenhang der synoptischen Apokalypse nicht urspriinglich ist und daher kein zusammenhangendes apokalyptisches Zukunftsbild zur alten Tradition gehort. 1 1 anbetrifft, so ist die Annahme so wenig begriindet, der iiberlieferte Wortlaut sei aus einem echten Jesuslogion erst deduziert, wie die Behauptung, das Logion rede urspriinglich von dem Geschehen unmittelbar nach dem Tode Jesu oder sei iiberhaupt nicht zeitlich gemeint. 5 So wenig sich also wegdeuten laBt, daB Jesus hier mit der zeitlich begrenzten Nahe der eschatologischen Vollendung rechnet, so wenig besteht andererseits ein ausreichender Grund, dem Wortlaut von Matt.…”