Aristoteles hat bekanntlich bestimmte Syllogismen seiner ersten Figur als "vollkommene Syllogismen" angesehen. In der assertorischen Syllogistik sind es alle vier von ihm behandelten Syllogismen dieser Figur, d. h. Barbara, Celarent, Darii und Ferio (vgl. APr. 14,; in der Modalsyllogistik sind zwar ebenfalls nur Syllogismen der ersten Figur vollkommen, aber dort werden von Aristoteles bestimmte Syllogismen dieser Figur ausdrücklich als nicht vollkommen charakterisiert. 1 Die Frage, was einen vollkommenen Syllogismus von einem unvollkommenen unterscheidet, ist seit den ersten Schülern des Aristoteles ein Gegenstand oft hitziger Kontroversen gewesen, und einmal hat sich sogar ein römischer Kaiser bemüßigt gefühlt, in diesem Streit ein Machtwort zu sprechen. Die Erklärungsversuche, die im Lauf der Geschichte von den Schü-lern und Kommentatoren des Aristoteles bis zu den Gelehrten des letzten Jahrhunderts zu dieser Frage vorgebracht worden sind, sind heute nur noch von historischem Interesse. 2 Es waren erst die Fortschritte der modernen Logik, die zu einem besseren Verständnis dieses Aristotelischen Theoriestücks geführt haben. Das Verdienst, unser Verständnis der Aristotelischen Unterscheidung vollkommener und unvollkommener Syllogismen entscheidend gefördert zu haben, kommt Günther Pat-1 Vgl. dazu Patzig (1969) 70 ff. Von John Corcoran ist Patzig dafür getadelt worden, daß er "uncritically accepted the false conclusion of previous interpreters that all perfect syllogisms are in the first figure" (Corcoran [1973] 197 f.). Ein Argument für die angebliche Falschheit dieser Auffassung bleibt Corcoran allerdings schuldig. Tatsächlich werden von Aristoteles nur Syllogismen der ersten Figur ausdrücklich als "vollkommen' bezeichnet; für Syllogismen der zweiten und der dritten Figur und für die Modi der ersten Figur mit umgestellten Tennen in der Konklusion, die den Modi unserer vierten Figur entsprechen, gibt Aristoteles Beweisverfahren an, mit denen diese Syllogismen auf solche der ersten Figur zurückgeführt werden können.