ZusammenfassungDer Beitrag unternimmt den Versuch, theoretische Ansätze der Nationalismusforschung auf die digitale Konstellation zu übertragen. Lassen sich konstitutive Merkmale der digitalen Konstellation und aktuelle digitalpolitische Entwicklungen unter Rückgriff auf Nationalismustheorien erklären? Erweisen sich Nationalismen, denen eine Hauptfunktion bei der Integration prädigitaler Sozialräume und dem Aufbau einer politischen Weltordnung zugekommen ist, damit gleichsam als aufwärtskompatibel? Um die Beharrungskraft (nicht die Ursprünge) des Nationalen in der digitalen Konstellation zu erklären, stützt sich der Beitrag zunächst auf Ansätze konstruktivistischer Nationalismustheorie. Den Grundstein des Modells bilden strukturelle Nationalismen, verstanden als unideologische, unbewusste und vielfach unauffällige Denk- und Reproduktionsweisen des Nationalen. Diese bieten Anknüpfungspunkte für doktrinäre Nationalismen, die die Autonomie nationaler Gesellschaften thematisieren und ihre Bewahrung zur politischen Zielsetzung erheben. Aus der Kombination lassen sich aktuelle digitalpolitische Entwicklungen erklären. Zwecks empirischer Illustration der verschränkten Mechanismen (strukturell und doktrinär) fokussiert der Beitrag nacheinander auf drei digitalpolitische Handlungs- und Problemfelder: die Verwaltung kritischer Ressourcen am Beispiel des Domain-Name-Systems (DNS), die Cybersicherheitspolitik im Hinblick auf den Schutz kritischer Infrastrukturen sowie schließlich die Bekämpfung von Desinformationskampagnen durch die Regulierung von Kommunikationsströmen.