Literatur Theodor Schieffer, Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas. Herder, Freiburg 1954. 326 S. Das Todesjahr des hl. Bonifatius ist 1954 in Deutschland als ein Gedenkjahr von ganz besonderer Bedeutung gefeiert worden. Man kann sagen: das katholische Deutschland hat sich am Grabe des hl. Bonifatius versammelt. Das Buch von Th. Schieffer war eine Gabe zu diesem Gedenkjahr, wie sie wertvoller nicht hätte sein können. Die Zeit liegt noch nicht weit hinter uns, als man Bonifatius förmlich verlästerte, weil er Deutschland romhörig gemacht hätte. Die ernste Wissenschaft hat zwar diese falsche Betrachtung entweder durch Nichtbeachtung beiseite geschoben oder, sei es in Aufsätzen von Fachzeitschriften, ihrer Irrtümer überführt, wie W. Levison, Hanns Rückert, W. Stach, oder in eigenen Schriften zurückgewiesen wie Werner Preisinger, Erwin Pfeiffer und Joseph Bernhart. Die beiden in Deutschland verbreitetsten Biographien katholischer Autoren, nämlich die des belgischen Historikers Godefroids Kurth, in französischer Sprache erschienen (1902), in deutscher Übersetzung 1903, und die von Gustav Schnürer, Bonifatius. Die Bekehrung der Deutschen zum Christentum, Mainz 1909, haben ihre volle Bedeutung behalten.Aber die Aufrollung der Frage, ob Bonifatius als eng mit Rom verbundener Missionar ein Segen für Deutschland gewesen ist oder ein Unsegen, so töricht sie auch zunächst gestellt und so leichtfertig sie von den kirchenfeindlichen Schriftstellern des aufkeimenden Nazismus beantwortet worden ist, hat dadurch ihr Gutes gehabt, daß sie dazu aufrief, Bonifatius im Rahmen der Gestaltung des christlichen Europas noch genauer als früher zu studieren. Eben das tut in vorbildlicher Weise mit umfassender Sachkenntnis Schieffer.Verfolgt man das Leben den hl. Bonifatius an Hand der Viten oder versucht man, sich in ihn hineinzuleben an Hand der zahlreichen Briefe, die, von ihm und an ihn gerichtet, erhalten sind, so tritt der tieffromme, opferwillige, unermüdliche, dem Papste gehorsame, demütige und doch in der Vertretung der religiösen Ideale unerschütterliche Missionar einem vor die Augen. Man kommt dabei kaum auf den Gedanken, daß er in einer der kritischsten und schwierigsten Zeiten der Geschichte der Kirche gelebt und gewirkt hat. Die alten Formen der kirchlichen Ordnung, ausgebaut in der Verbindung mit der christlichen Antike, zerbrachen oder änderten sich, weil die germanische Welt neue Ordnungen heraufführte. Das Papsttum erlebte im 7. und noch im 8. Jahrhundert seine schwersten Auseinandersetzungen mit dem bis dahin alles überschattenden byzantinischen Kaisertum. Der Islam riß weite Gebiete der christlichen Welt unter seine Herrschaft. Die Germanen führten mit einer Art von Selbstverständlichkeit neue Ordnungen ein, die auf ihren politischen und sozialen Lebensformen beruhten, die Macht der Landesherrschaften über die Bischöfe, der Grundherren über den Seelsorgeklerus, daher die nicht prinzipiell gemeinte, aber praktische Ausschaltung der Päpste aus kirchlichen Bezirken, in denen sie bisher nicht hatten fehle...