Lorey, Isabell: Die Regierung der Prekären. Wien/Berlin: Turia + Kant 2012. 155 Seiten [ISBN 978-3-85132-669-7]. Rezensiert von Nabila Abbas (RWTH Aachen/Paris 8) Prekäre Beschäftigungs-und Lebensverhältnisse sind nicht mehr nur an der Peripherie neoliberaler Industrienationen vorherrschend, sondern haben längst in ebendiese Einzug erhalten. In Deutschland sowie in Europa stellen sie keine randständigen Phänomene dar, sondern sind zur Norm gewordenso die provokante einleitende Feststellung von Isabell Lorey in ihrer Monographie Die Regierung der Prekären, die mit einem Vorwort von Judith Butler versehen ist. Neben einer detaillierten begrifflichen Auseinandersetzung mit dem Begriff Prekarität diskutiert Lorey in erster Linie die Leitfrage "wie wir gerade durch Prekarisierung regiert werden und uns regierbar halten" (14). Sie plädiert dafür, Prekarität nicht ausschließlich als Bedrohung zu begreifen. Stattdessen gilt es die subjektiven, von Prekarität gekennzeichneten Erfahrungen als Ausgangspunkt für neue politische Kämpfe zu nehmen, in denen neue Formen der politischen Organisation, Kollektivierung und Interessensvertretung (im weitesten Sinne) erprobt werden. Neue Formen politischen Kampfes sind demnach erforderlich, um den von der Prekarisierung hervorgebrachten neuen Formen der Individualisierung und der Vereinzelung entgegenzutreten.Dabei kritisiert Lorey einen bestimmten sozialwissenschaftlichen Diskurs, wie er etwa von Robert Castel oder Pierre Bourdieu geführt wird, der die prekarisierten Subjekte in eine Unmündigkeit versetzt, in welcher sie darauf angewiesen sind, auf kollektive (staatliche) Sicherungen zu hoffen, die aber gleichzeitig immer weiter abgebaut werden. Demnach verstärkt die passive Rolle der Prekarisierten in dieser Sichtweise, die vordergründig staatliche soziale Sicherheitsmechanismen wiederherstellen will, ungleiche Abhängigkeits-und Machtbeziehungen und reproduziert so moderne Herrschaftslogiken. Dieser auf staatliche Sicherheitsmechanismen konzentrierte Diskursauch Sicherheitsdiskurs genannt -verläuft stets in der Dichotomie zwischen einer zu etablierenden sozialen Sicherheit und einer Bedrohung, hier der Prekarität, die reguliert werden muss. Dieselben "Sicherheitsinstrumente", die zur Regulierung der Prekarität genutzt werden, können gleichermaßen zur Regulierung der Regierten verwendet werden, so Lorey. In diesem Sinne dienen sie weniger der Einschränkung eines sozio-ökonomischen Problems als vielmehr der Re-Etablierung von Herrschaftslogiken und -verhältnissen. Die Festigung
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