Zur Konstruktion der EU als Wertegemeinschaft in der deutschen Öffentlichkeit

Abstract

ZusammenfassungDie EU wird gemeinhin als Wertegemeinschaft verstanden. Die geteilte Wertebasis gerät zunehmend unter Druck wie politische Auseinandersetzungen in Polen oder Ungarn zeigen. Weniger bekannt ist jedoch, wie die EU als Wertegemeinschaft diskursiv in der Öffentlichkeit konstruiert wird. Der vorliegende Beitrag baut auf der Forschung zu mediatisierten Wertekonflikten, Wertewandel in Europa und Werteframing auf und schlägt eine neue Wertetypologie vor, die Werte als institutionalistisch, individualistisch und kollektivistisch klassifiziert. Daran anknüpfend wird der öffentliche Diskurs über die EU als Wertegemeinschaft in sieben deutschen Printmedien im Zeitraum 2019 bis 2021 anhand einer quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Im ersten Schritt wird gefragt, welche Werte im Diskurs gemeinsam auftreten. Dabei zeigt sich eine Fokussierung auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als primäre Werte und Freiheit und Solidarität als sekundäre Werte. Im zweiten Schritt werden sechs frames herausgearbeitet, die die EU als Wertegemeinschaft konstruieren. Der Diskurs ist krisen-inhärent, da er die Wertediskussion mit Krisen wie der COVID-19 Pandemie oder mit der Krise um das europäische Migrationsregime verbindet. Zudem lässt sich eine Gefahr von innen durch populistische Parteien und autoritäre Tendenzen in EU-Mitgliedsstaaten von der Gefahr von außen unterscheiden. Letztere dient als werte-orientierte Abgrenzung zu anderen Staaten wie Russland und China. Frames, die die Einigkeit der EU sowie die EU als Friedensprojekt betonen, sind schwächer im Diskurs vertreten. Die Arbeit trägt zu einem besseren Verständnis der EU als Wertegemeinschaft bei und welche Werte ihr in der öffentlichen Debatte in Deutschland zugeschrieben werden.