Wissenschaftstheoretische Perspektiven einer künftigen Linguistik.Tagung auf dem Monte Verità, Ascona (Schweiz), 19.-21. April 2001 [Theoretical Perspectives of Future Linguistics. Conference on the Monte Verità, Ascona (Switzerland)]

Abstract

Zu dieser Tagung hatten die Veranstalter Ϫ Horst Sitta, Angelika Linke, Hanspeter Ortner und weitere (z. T. ehemalige) Mitarbeiter am deutschen Seminar der Universität Zürich Ϫ ca. 40 Teilnehmer in das Centro Stefano Franscini auf dem Monte Verità, Ascona, eingeladen. Örtliche Gegebenheiten, umsichtige Planung und freundlichste Gastgeberschaft der Veranstalter sorgten für einen rundum angenehmen Aufenthalt. Das noch empfindlich kühle und z. T. nasse Frühlingswetter verhinderte einen zu starken Abfall des Arbeitseifers.Die Vorträge mit der größten thematischen Reichweite und zugleich die Eckpfeiler der Tagung, um die sich die meisten der insgesamt 23 Vorträge bzw. Statements gruppieren lassen, waren der erste von Ludwig Jäger über das Erkenntnisobjekt Sprache. Probleme der linguistischen Gegenstandskonstitution und der letzte von Gerd Antos zur Frage "Wie kann sich die Linguistik Öffentlichkeit ,schaffen'?". Wissenschaftspraktische Perspektiven einer künftigen Linguistik. Während die Relevanz der Jägerschen Fragestellung für das Tagungsthema unmittelbar einleuchtet, scheinen die Überlegungen von Antos, insofern sie sich komplementär auf die "wissenschaftspraktischen Perspektiven" richteten, eher randständig. Gleiches müßte freilich für fast alle Beiträge des zweiten und dritten Tages gelten, die ihren Schwerpunkt vorwiegend in Problemen der Anwendung (Sprachkritik, Sprachdidaktik, Sprachberatung, Sprach-und Kommunikationsschulung) hatten. Eine solche Sichtweise würde die der Planung zugrunde liegenden Intentionen der Veranstalter und der Referenten aber verkennen. Es war ein Kernpunkt schon des vor der Tagung verschickten 49seitigen Papiers Was ist der Gegenstand der Sprachwissenschaft? von Ortner und Sitta, dass die künftige Linguistik, von den Verfassern unter dem Begriff einer "(Sprach)Verhaltenslinguistik" skizziert, sich stärker "an den Fragen und Bedürfnissen einer außerfachlichen Öffentlichkeit orientieren" müsse, um nicht Gefahr zu laufen, "nur noch Fragen zu beantworten und Bedürfnisse zu erfüllen, die aus dem Fach selbst kommen" (7). Ein verstärkter Praxisbezug lässt sich aber, das kann man als Konsens unter den Tagungsteilnehmern verbuchen, nicht durch nachträgliche Verwertung unabhängig gewonnener Erkenntnisse der Linguistik erreichen, sondern nur dann, wenn schon die grundlegende wissenschaftstheoretische Entscheidung, "wie der Gegenstand der Disziplin modelliert werden soll" (Linke), unter Beachtung der potentiellen gesellschaftlichen Anwendungsbereiche gefällt wird und ihrerseits die Forschungsplanung bestimmt. Die starke Betonung der linguistischen Anwendungsfelder gehorchte also der wissenschaftstheoretischen Zielsetzung. Der "nicht aufzulösende Zusammenhang von Erkenntnis-/Verwendungsinteresse, Gegenstandskonstitution und Methodologie" (Ortner/Sitta) wurde in den einzelnen Vorträgen und Diskusionen auch immer wieder bestätigt, etwa wenn Rudi Keller als eine Bedingung für sein semiotisch begründetes Sprachkonzept ausdrücklich dessen Tauglichkeit für die Kommunikationsberatung forderte oder wenn um...