Wissenschaft in der Emigration ‐ Quantitative und geographische Aspekte

Abstract

1 Horst Moller Wissenschaft in der Emigration -Quantitative und ge ograp hi sc he As pe kte': Als der Sozialwissenschaftler Emil Julius Gumbell938 im franzosischen Exil eine Schrift mit dem Titel Freie Wissenschafiein S a m l b u c h aus der deutschen Em'gration veroffentlichte, schatzte erdie Zahl derdurch die nationalsozialistischen Machthaberin Deutschlandund Osterreich amtsenthobenen Wissenschaftler auf annahernd 2000. Die Zahl derjenigen Gelehrten, die Deutschland seit 1933 verlassen hatten, bezifferte er auf mehr als 500. Heute, funfzig Jahre nachdem der Exodus von Gelehrten, Kunstlern, Musikem aus dem deutschen Sprachraum begann, lai3t sich das Ausmai3 der Kulturemigration im allgemeinen und der Wissenschaftleremigration im besonderen praziser bestimmen. Durch das Forschungsprojekt des Instituts fur Zeitgeschichte Munchen und der Research Foundation for Jewish Immigration NewYork, dessen Ergebnisse im BiographzschenHandbuch der deutschsprachigen Em'gration nach 1933 publiziert wurden, sind auch die wissenschaftsgeschichtlichen Forschungen uber die Emigration auf eine neue Basis gestellt. Der 1980 veroffentlichte Band 1 enthalt Emigranten aus dem Bereich Politik, Wirtschaft und offentliches Leben, der 1983 erschienene Band 2 enthalt die Kulturemigration insgesamt, bei Band 3, der ebenfalls 1983 publiziert wurde, handelt es sich um einen Index. Die 8600 biographischen Eintragungen dieses Handbuchs sind auf der Grundlage intensiver Archivrecherchen und Umfrageaktionen erfolgt. Sie basieren auf einem Personenarchiv von annahemd 25000 Emigranten. Auch im ersten Band sind eine Reihe wissenschaftsgeschichtlich interessanter Personlichkeiten vertreten, wenngleich hier das politische Motiv fur die Emigration ausschlaggebend gewesen ist. Nimmt man diejenigen, die zur Kulturemigration zu zahlen sind, zusammen, dann enthalt das Biographische Handbuch ungefahr 5500 Personlichkeiten, die verschiedenen Sektoren des kulturellen Lebens zuzuordnen sind. Die knappe Halfte von ihnen, also etwa 2400-2500 der biographierten Emigranten, sind Wissenschaftler. So umfassend ein biographisches Handbuch der Emigration auch angelegt sein mag, es kann sich nur um eine Auswahl handeln. In bezug auf die Wissenschaftler, die in dieses Handbuch aufgenommen worden sind, wurden zwei Aspekte zugrundegelegt: Erstens wurden samtliche Ordinarien aufgenommen und zweitens dariiberhinaus diejenigen Wissenschaftler, die durch bedeutende Werke bekannt geworden sind, Nichtordinarien also nur dann, wenn sie sich bereits einen wissenschaftlichen Namen erworben hatten. Allerdings mui3 bedacht werden, dafi das erste Kriterium insofern einen weiten Kreis ' : . Vortrag, gehalten auf dem X X I . Symposium der Gesellschaft fur Wissenschaftsgeschichte (,,Vor funfzig Jahren: Emigration und Immigration von Wissenschaft"), 12.-14. Mai 1983 in Wolfenbuttel. Vgl. Berwissenschaftsgesch 5 (1982), 270 f. -Mit Autorennamen im Text wird auf die Literaturhinweise am Ende der Arbeit verwiesen.