Die Lese-Passage aus dem "Combray-Kapitel" von Marcel Prousts Recherche ist eine Leserfalle. Eingebettet in den ersten Erinnerungsstrom, der aus dem Geschmack der Madeleine hervorgeht und der die Auferstehung des Kindheitsortes Combray aus der Kraft der unwillkürlichen Erinnerung bewirkt, lockt diese Passage mit dem großen Versprechen, fühlbar zu machen, was es heißt, zu lesen -zu lesen wie ein Kind, wohlgemerkt. Was hier versprochen wird, ist nichts weniger als eine Passage in die Kindheit des Lesens. Kein Wunder, dass diese "Tage des Lesens", wie der Autor eine Vorstufe des Textes nannte,1 Generationen von Literaturwissenschaftlern magisch angezogen haben. Wer sich dieser berühmten Passage zuwendet, geht also auf ausgetretenen Spuren, liest unzähligen anderen Lesern hinterher.2 Dafür sollte man einen guten Grund haben -wie beispielsweise den Wunsch, eine Voraussetzung in Frage zu stellen, von der die meisten Lektüren der Stelle stillschweigend ausgehen. Diese Prämisse lautet, dass wir nicht wissen können, was Marcel in der kühlen Kammer von Combray und in der Gartenlaube unter der Kastanie eigentlich liest. Schließlich macht der Text dazu schlicht keine Angaben -außer, dass es sich um "Abenteuer" handelt.3