Verhaltensmedizin in der Neurologie: State of the Art

Abstract

Verhaltensmedizinische Interventionen setzen bei neurologischen Erkrankungen mit dem Ziel an, die gesellschaftliche Teilhabe so weit wie möglich zu erhalten oder wiederherzustellen. Dies kann über restitutive und kompensatorische Zugangswege mit oder ohne direkte Intervention am somatischen Substrat erfolgen. So lassen sich schlaganfallbedingte Paresen zumindest teilweise auch als Verlust des motorischen Gedächtnisses erklären. Durch lernpsychologisch begründete Interventionen ist neben der funktionellen Verbesserung auch eine Wiederherstellung der somatosensorischen Repräsentation möglich. Über EEG-Feedback-gestützte Brain-Computer-Interfaces kann dagegen die bei nahezu kompletten Lähmungen der Willkürmotorik ausgefallene Kommunikation mit der Umwelt kompensiert werden. Therapeutische Maßnahmen, die nicht direkt am somatischen Substrat ansetzen, zielen entweder auf die Wechselwirkung zwischen kurzfristigen, symptomatischen Verschlechterungen und situativen Auslösern oder auf den emotionalen und behavioralen Umgang mit einer somatischen Erkrankung. So ist eine situationsspezifische Symptomkontrolle unter anderem bei Anfallserkrankungen mit oder ohne Neurofeedback-Unterstützung möglich. Darüber hinaus kann die Behandlung psychischer Beschwerden und Störungen heute bei fast allen neurologischen Erkrankungen indiziert sein. Deshalb sollen mit diesem Beitrag die vielfältigen Möglichkeiten herausgestellt werden, die bereits jetzt zur verhaltensmedizinischen Unterstützung der Selbstregulation bei ganz unterschiedlichen neurologischen Krankheitsbildern zur Verfügung stehen.