Tiefe Analyse von Lernerkorpora

Abstract

Die Sprache von Lerner/-innen einer Fremdsprache unterscheidet sich auf allen linguistischen Ebenen von der Sprache von Muttersprachler/-innen. Seit einigen Jahrzehnten werden Lernerkorpora gebaut, um Lernersprache quantitativ und qualitativ zu analysieren. Hier argumentieren wir anhand von drei Fallbeispielen (zu Modifikation, Koselektion und rhetorischen Strukturen) für eine linguistisch informierte, tiefe Phänomenmodellierung und Annotation sowie für eine auf das jeweilige Phänomen passende formale und quantitative Modellierung. Dabei diskutieren wir die Abwägung von tiefer, mehrschichtiger Analyse einerseits und notwendigen Datenmengen für bestimmte quantitative Verfahren andererseits und zeigen, dass mittelgroße Korpora (wie die meisten Lernerkorpora) interessante Erkenntnisse ermöglichen, die große, flacher annotierte Korpora so nicht erlauben würden. Fragestellung und HintergrundWenn wir uns die folgenden Beispiele, geschrieben von fortgeschrittenen Lernenden des Deutschen als Fremdsprache (aus den Korpora Falko und Kobalt-DaF, siehe Abschn. 1.3) anschauen, sehen wir zunächst oberflächennahe Fehler und Merkwürdigkeiten.1 Dazu zählen beispielsweise orthografische Abweichungen (wie ausgeshen in (1a) oder aüßern in (1c)), Kasus-oder Argumentstrukturprobleme (wie kann ich die Frauenbewegung für vieles dankbar sein in (1a)), Flexionsprobleme (wie müssten in 1b) oder phraseologische Probleme (wie Haushalt einhalten in (1b)).1 Das große und interessante Thema ‚Fehler' können wir hier nicht ausführlich besprechen. Wir verwenden den Begriff ‚Fehler' hier so, wie er in der Lernerkorpusdiskussion oft gebraucht wird. In anderen Artikeln haben wir uns ausführlich mit den theoretischen Hintergründen und der Modellierung von Abweichungen, Fehlern, Errors und Mistakes beschäftigt (für einen Überblick siehe Lüdeling/Hirschmann 2015).

A Challenge for Contrastive L1/L2 Corpus Studies: Large Inter- and Intra-Individual Variation Across Morphological, but Not Global Syntactic Categories in Task-Based Corpus Data of a Homogeneous L1 German Group

“…We are forced to accept this limitation since not all L1 texts in Falko are available with corrected dependency tags yet. Neither of the corpora was compiled for the purpose of this study, both are publicly available (see data availability statement at the end of this paper) and have been previously used in a number of other studies (Hirschmann et al, 2013;Zeldes, 2013;Hirschmann, 2015;Lüdeling et al, 2017Lüdeling et al, , 2021Wan, 2021, among others).…”

“…This offers a more widely accessible approach to comparative SLA corpus studies, and, since smaller data can be manually annotated, allows for the analysis of a greater variety of linguistic phenomena (cf. Lüdeling et al, 2021).…”

“…

Appendix in Supplementary Materials. 3 One could argue that it is next to impossible to keep the genre, register, or broader function of text produced under elicitation homogeneous Lüdeling et al, 2021;Wan, 2021). In our case, the high school students prompted for Kobalt have all learned to produce the type of argumentative text prompted for our corpora in the very same classroom over years.

…”

Gesprochene Lernerkorpora: Methodisch-technische Aspekte der Erhebung, Erschließung und Nutzung

“…Vgl. hierzu Lüdeling et al (2021) -hier wird argumentiert und zusammenfassend an drei Fallbeispielen erläutert, dass mittelgroße, händisch gerade noch kontrollierbare (also manuell annotierbare) Lernerkorpora für viele interessante Fragestellungen eine notwendige empirische Datengrundlage darstellen, weil diese Fragestellungen tiefe, komplexe Analysen erfordern, die mit ausschließlich automatisierten Verfahren nicht geleistet werden können. Zudem darf nicht vernachlässigt werden, dass die Aufbereitung von Korpusdaten selber linguistische Forschung bedeutet und sehr häufig die KorpuserstellerInnen diejenigen sind, die Einblicke in grundlegende Charakteristika der durch das Korpus abgebildeten Varietät(en) erfolgreich publizieren.…”