Die anhaltend hohe Inzidenz des Mammakarzinoms und die scheinbare Resistenz gegen die intensiven Bemühungen, die Mortalität durch umfangreiche Früherkennungsund Vorsorgemaßnahmen zu reduzieren, rückt die sekundäre Prävention von lokoregionären Rezidiven und Fernmetastasen ins Zentrum des Interesses.Das Augenmerk der klinisch und wissenschaftlich tätigen Onkologen und Gynäkologen richtet sich auf präzisere Kriterien zur Abschätzung des individuellen Rezidivrisikos unter Einbeziehung tumorbiologischer und prognostischer Faktoren.Wenige dieser Faktoren sind jedoch zu diesem Zeitpunkt so hinreichend wissenschaftlich belegt, dass sie für den klinischen "Alltag" nutzbar wären.Angesichts der mangelhaften Präzision und Individualität der klassischen Prognosemarker bieten neue, an der Tumorbiologie orientierte Faktoren jedoch die Möglichkeit zu einem Paradigmenwechsel in Diagnostik, Klassifizierung und Therapie des Mammakarzinoms.
Schlüsselwörter
Mammakarzinom · Tumorbiologie · Klassifikation · Prognosemarker
Biologische GrundlagenRisikofaktoren Etwa jede 9. Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem bösartigen Tumor des Brustdrüsengewebes, für Deutschland bedeutet dies geschätzte 45.000 Neuerkrankungen pro Jahr und 19.000 Patientinnen, die an ihrer Erkrankung versterben [5]. Aus dieser unter der Bezeichnung "Mammakarzinom" zusammengefassten, scheinbar gleichartigen Erkrankung, heben sich allein durch den Blick auf die hereditären (5-10%) und spontanen (90-95%) bösartigen Brusttumoren 2 sehr unterschiedliche, durch verschiedene tumorbiologische Eigenschaften charakterisierte Erkrankungen heraus.
Genetische PrädispositionDie bei 30-40% der hereditären Fällen gefundenen Mutationen in den Genen BRCA1/2 werden beim sporadischem Brustkrebs sehr selten in den kodierenden Bereichen von BRCA1/2 entdeckt, sodass sowohl weitere Suszeptibilitätsgene als auch weitere Mechanismen der Tumorentwicklung wahrscheinlich sind [62]. Die genetischen Veränderungen beim sporadischen Mammakarzinom scheinen die Folge der Summation exogener und endogener Einflüsse zu sein, die vermutlich unter Selektionsdruck in einer mehr oder weniger regelhaften Se-quenz eskalieren und sich von Atypien über In-situ-Karzinome zu invasiven Karzinomen unter sukzzessiver Akquisition von genetischen Veränderungen entwickeln [63]. Als typische genetische Veränderungen bekannt sind beispielsweise Amplifikation des Protoonkogens c-erbB-2 [54, 56] und Verlust des Tumorsuppressorgens p53 [44]. Der Mechanismus der Karzinogenese hereditärer Neoplasien scheint dagegen unter der direkten Regie der Suszeptibilitätsgene BRCA1 und BRCA2 zu stehen. Abgesehen von populationsspezifischen Mutationen (z. B. in der jüdischen Ashkenazi-Population) werden tumorassoziierte Veränderungen ohne erkennbares Muster vor allem in Sequenzabschnitten nachgewiesen. Diese betreffen die funktionelle Domänen der Gene, über kleine Insertionen bzw. Deletionen kommt es zu Verschiebungen des Leserasters, dann in der Folge zum vorzeitigen Kettenabbruch des Proteins und Hemmung seiner Funktion. Über erhö...