Statements

Abstract

In Kunstfragen gibt es nur wenige Tabus. Ja, im Gegenteil: Die Kunst ist zum Tabubrecher vieler humaner Fragestellungen geworden und nicht selten werden Tabuverletzungen unter dem Deckmantel der Kunst auch versteckt. Allerdings weichen die meisten, die sich mit Kunst beschäftigen, der Kardinalfrage nach der Bewertung aus. Sie wird gewöhnlich mit "persönlichem Geschmack" unzureichend umschrieben (im Parteiprogramm der FPÖ beispielsweise) oder der Versuch sie zu definieren, als auf einem autoritären Weltbild basierend, diffamiert. (Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik in Österreich, Wien 1999). Die übliche Vermischung von Kunst und Kultur, in den Theorien zur Entwicklung der Nationalstaaten um 1800 beheimatet und nach wie vor im Alltag üblich, vor allem im Zusammenhang mit politischen Aussagen, unterstützt diese Unschärfe, weil damit nicht nur die im 20. Jahrhundert vorgenommene Erweiterung der künstlerischen Tätigkeit auf den Alltag argumentiert werden konnte, sondern auch die Vermischung quasi zur Regel erhoben wurde. Nichtsdestoweniger findet immer und überall, wo mit Kunst umgegangen, gehandelt oder über sie gesprochen wird, eine immanente Bewertung statt, die vor allem im Förderbereich Entscheidungen prägt. Diese sind oft Experten übertragen, von denen man ja doch erwartet, dass sie aufgrund ihrer Expertise Bewertungen zu geben imstande sind oder sie werden auch nur von Einzelpersonen in Gestalt von selbstständigen Direktoren, Festspielleitern, Intendanten getroffen ... Und das Publikum bewertet in der Regel auch. Allein dadurch, dass es zu den Veranstaltungen hinströmt, ihnen Beifall oder Missfall zollt, Stellung nimmt und bei Erfolg quasi als affirmative Massenzustimmung für Folgeerscheinungen herangezogen wird. Selbstverständlich fließen diese Bewertungen in die Kommunikation mit ein, mit gut oder schlecht, interessant oder uninteressant, richtig oder falsch, positiv oder negativ, kurz jenen Alternativen von Beurteilungen, die wir in den gängigen Bewertungsschemata aller übrigen Handlungen auch kennen. Damit tritt das Kuriosum ein, dass in der Akzeptanz und der Verweigerung sehr wohl auch in der Kunst jene Bewertungskategorien auftauchen, die auch in anderen Lebensbereichen üblich sind: beim Autokauf, beim Fußball spielen, in der Küche, der Körperkultur, dem Sport.Dieser merkwürdige Hang zur Verweigerung von Beurteilungskriterien, der allenthalben beteuert wird, wenn es um die Frage nach der Bewertung von Kunst geht, ist ein eklatanter Widerspruch zu jenen von eben denselben Experten gemachten Beteuerungen, die Kunst sei lebenskonstitutiv, lebenswichtig, mache erst die Kultur des Menschen aus, sei alltagspräsent.