Populismus und Mittelklasse corralito (Pferch). Die Bankkonten der ArgentinierInnen wurden eingefroren, das Abheben von Bargeld war nur noch in kleinen Beträgen möglich. Die schwere wirtschaftliche, soziale und politische Krise kulminierte schließlich in den Protesten vom 19. und 20. Dezember, die den Rücktritt Fernando de la Rúas erzwangen. Nachdem in nur wenigen Tagen zahlreiche Übergangspräsidenten ihren Rücktritt erklärt hatten, übernahm schließlich Eduardo Duhalde die Präsidentschaft. Im Folgejahr kam es im ganzen Land zu einem »neuen sozialen Protagonismus« (Colectivo Situaciones 2003) von unten: Selbstorganisierte Tauschringe wurden gegründet; Nachbarschaftsversammlungen organisierten den Alltag in den Stadtvierteln; Betriebe wurden besetzt und von der vormaligen Belegschaft übernommen. Die gesellschaftliche Mobilisierung hielt das gesamte Jahr vor. Am 26. Juni 2002 ereigneten sich dann jene Repressionsmaßnahmen, die in Argentinien als das »Massaker von Avellaneda« bezeichnet werden und die die Krise der politischen Repräsentation weiter vertieften: Bei Protesten der Arbeitslosenbewegung wurden die zwei Aktivisten Maximiliano Kosteki und Darío Santillán von der Polizei ermordet. Nachdem bekannt geworden war, dass die Repressalien an der Bahnstation in der Vorstadt von Buenos Aires durch den damaligen Gouverneur der Provinz Buenos Aires Felipe Solá angeordnet worden waren, stieg der politische Druck auf Präsident Duhalde immer weiter. Dieser rief schließlich vorgezogene Präsidentschaftswahlen für April 2003 aus. Bei der Wahl gewann Néstor Kirchner mit seinem Bündnis Frente Para la Victoria 22,2 % der Stimmen und belegte damit den zweiten Platz hinter dem ehemaligen Präsidenten Carlos Menem (24,5 %). Weil Menem sich jedoch keine Siegeschancen in der vorgesehenen Stichwahl ausrechnete, zog er seine Kandidatur zurück und Néstor Kirchner wurde als Präsident vereidigt.Vor dem Hintergrund dieser komplexen Gemengelage trat Néstor Kirchner seine Präsidentschaft am 25. Mai 2003 an. Die Wirtschaft des Landes war im Vorjahr um 10,2 % geschrumpft; die Arbeitslosenquote lag bei 17,8 % (INDEC); die Partido Justicialista -die peronistische Partei, der auch Kirchner entstammte -war durch den neoliberalen Kurs der Regierungen Carlos Menems in den 1990er Jahren stark delegitimiert; und in Teilen der Bevölkerung herrschte weiterhin das tiefe Misstrauen gegenüber der Politik vor, das sich 2001 in dem international bekanntgewordenen »¡Que se vayan todos!« (»Sie sollen alle abhauen!«) entladen hatte. Und so sah sich die Regierung rund um den ehemaligen Gouverneur der im Süden Argentiniens gelegenen Provinz Santa Cruz (1991Cruz ( -2003 nicht nur mit der wirtschaftlichen Krise des Landes konfrontiert, sondern stand vor der Herausforderung, Unterstüt-zerInnenbasis, Allianzen und Identität für ihr politisches Projekt zu konstruieren.