Die Frage, was zuerst war – in diesem Falle die Diagnostik des Prostatakarzinoms oder seine Therapie – erscheint auf den ersten Blick widersinnig und erinnert an die klassische metapherartige Problemstellung, die schon den griechischen Schriftsteller Plutarch (45–125) beschäftigte. Ist es heute selbstverständlich, dass vor der Behandlung einer Erkrankung die sichere Diagnosestellung steht, so muss dies medizinhistorisch jedoch als nicht konsistent erachtet werden. Die Anfänge der radikalen Prostatektomie zur Behandlung des Prostatakarzinoms lassen sich, ähnlich wie die ersten operativen Therapien von Nieren- und Harnblasentumoren, in der Pionierzeit der Organchirurgie im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) verorten. Die Etablierung dieses Eingriffs in seiner heutigen Form mit größeren Fallzahlen ist wiederum dem Nestor der US-amerikanischen Urologie, Hugh Hampton Young (1870–1945), zu verdanken, der 1904 die erste aus heutiger Sicht als vollumfänglich zu bezeichnende perineale Prostatovesikulektomie durchführte. Wenngleich die Indikation seither weitgehend unverändert geblieben ist, war dieser Eingriff in den letzten Jahrzehnten doch umfangreichen Veränderungen unterworfen. Wie aber hat sich die Diagnostik des Prostatakarzinoms in dieser Zeitspanne entwickelt? Naturgemäß sehr viel dynamischer! Denn als der Leiteingriff Prostatovesikulektomie bereits etabliert war, begann im Laufe des 20. Jahrhunderts erst langsam, dann dynamischer deren Entwicklung. Wir stellen anhand medizin(histor)ischer Originalquellen daher nicht nur die Grundlagen und Weiterentwicklungen des etablierten und zugleich immer wieder Innovationen unterworfenen Leiteingriffs der Urologie vor, sondern gehen vielmehr auch auf wesentliche Umfeldentwicklungen benachbarter medizinischer Disziplinen ein. Erst diese Entwicklungen schafften übrigens auch die Grundlage für die korrekte Indikationsstellung und das Aufzeigen von Alternativen zur radikalen Prostatovesikulektomie.