Entnommen aus einem für diese Dissertation geführten Interview, steht diese Aussage exemplarisch für einen Befund der Studie: Der Grundgedanke der Inklusion findet teils euphorische Zustimmung, gleichzeitig lassen sich aber Herausforderungen und deutliche Spannungsfelder hinsichtlich der beruflichen Umsetzung rekonstruieren. Die Dissertation ist im Kontext der Forschung zur inklusionsorientierten Lehrer*innenbildung verortet und nimmt sich der Fragestellung an, welche Aspekte die Ausbildung einer professionellen Haltung kennzeichnen und welche Rolle dabei das eigene berufliche Selbstverständnis, Vorstellungen zu Behinderung sowie Kompetenz-und Leistungszuschreibungen spielen. Befragt wurden dazu Studierende der Sonderpädagogik. Diese befinden sich in der besonderen Situation einer Umbruchphase, die ihnen nach Abschluss ihres Studiums und anschließenden Referendariats einen beruflichen Einsatz sowohl in der Förderschule als auch in der Regelschule eröffnet. Die Anforderungen und konkreten Aufgaben unterscheiden sich dabei je nach beruflichem Ort erheblich. Eine damit verbundene Ungewissheit und der Wunsch, diese auflösen zu wollen, sind in den Ergebnissen dieser Studie zentral und werden von den befragten Studierenden unterschiedlich bearbeitet. Unter Anwendung der objektiven Hermeneutik werden vier Fälle analysiert und interpretiert. Dieses rekonstruktive Vorgehen eröffnet dabei die Möglichkeit, Aussagen, die einer gewissen fachspezifischen sozialen Erwünschtheit unterliegen, auf ihren latenten Sinngehalt zu untersuchen und somit zu tiefergreifenden Erkenntnissen zu gelangen. Mit Hilfe zentraler Professionalitätsansätze und der Theorie von Bildung als transformatorischen Prozess werden die Ergebnisse theoretisch eingeordnet und zeigen, dass die bestehenden Überzeugungen und biographisch erworbenen Erfahrungen der Studierenden Lern-und Bildungsprozesse auf dem Weg zur Herausbildung einer professionellen Haltung lenken und beeinflussen. Aspekte wie die Sorge um eine Anerkennung als ‚echte' Lehrkraft, die Geringschätzung des Bildungsauftrags für behinderte Menschen sowie die Zuschreibung von erhöhtem Assistenzbedarf bei gleichzeitigem Absprechen von Fähigkeiten sind kennzeichnend für die hier erarbeiteten Fallstrukturen. Sie zeigen auf, dass die eingangs zitierte Sequenz auf ihren normativen Gehalt zu prüfen ist. Daraus ergeben sich mögliche Schlussfolgerungen, die insbesondere für die erste Phase der Lehrer*innenbildung in den Blick zu nehmen sind. Die Dissertation begegnet dem Desiderat nach rekonstruktiven Studien zur Erhellung des Forschungsfeldes von Lehrer*innenbildung und professioneller Haltung. Darüber hinaus ist es ihr besonderes Anliegen, auf anschauliche Weise Einblicke in die Anwendung der Methode der objektiven Hermeneutik in einem sonderpädagogischen bzw. inklusionspädagogischen Forschungsfeld zu geben.