ZusammenfassungSeniorenkriminalität ist insgesamt ein seltenes Phänomen. Bei älteren Straftätern hat es die Justiz in hohem Maß mit Ersttätern zu tun, die mehrheitlich männlichen Geschlechts sind. Eine mögliche Ursache von Erstkriminalität im höheren Lebensalter stellen Demenzerkrankungen dar. Es ist jedoch wenig dazu bekannt, wie häufig Demenzerkrankungen tatsächlich Ursache delinquenten Verhaltens im höheren Lebensalter sind. Die Demenzprävalenz in Studien mit forensischen Kohorten älterer Straftäter ist sehr heterogen, was vor allem studienmethodisch begründet ist. Längsschnittlich begehen etwa 50 % aller Patienten mit frontotemporaler Demenz und etwa 10 % aller Patienten mit Alzheimer-Demenz Delikte im Erkrankungsverlauf. Die neurobiologischen Entstehungsmechanismen von Delinquenzverhalten im Rahmen von Demenzen sind unvollständig verstanden. Nach aktuellen Erkenntnissen wird davon ausgegangen, dass Erstdelinquenz im Rahmen von Demenzerkrankungen als Folge von Beeinträchtigungen der sozialen Kognition, Empathiefähigkeit und der Verhaltenskontrolle zu verstehen ist. Bedeutsam sind insbesondere frontale und anteriore temporale Hirnstrukturen. Demenzerkrankungen können zu Beeinträchtigungen der Schuldfähigkeit führen, weshalb forensisch-psychiatrische Sachverständige auch mit Demenzerkranken konfrontiert sind. Hierbei müssen ätiologiespezifische Besonderheiten berücksichtigt werden. Insbesondere Erstdelikte im Rahmen wesensuntypischer Persönlichkeitsänderungen nach dem 50. Lebensjahr sollten an eine neurodegenerative Ätiologie denken lassen. Insbesondere frontotemporale Demenzerkrankungen, wie die behaviorale Variante einer frontotemporalen Demenz (bvFTD), aber auch die semantische Demenz (svPPA), prädisponieren zu delinquentem Verhalten.Diese Arbeit fasst aktuelle Erkenntnisse zu dieser forensisch-psychiatrisch, aber auch klinisch relevanten Thematik zusammen.