Dieses Kapitel untersucht, welche musikalischen Aspekte an der Konstruktion von Autorschaft beteiligt sind und in welcher Beziehung Lars von Triers Image als Autorenfilmer zu den filmmusikalischen Arbeitsprozessen in der Filmproduktion steht. Rezeptions-und Produktionsperspektiven werden in einen Dialog gebracht. Bei der Rezeptionsperspektive beziehe ich mich auf Claudia Gorbmans Idee des »Auteur Mélomane« (2007). Für die Produktionsperspektive wird in Anlehnung an Ian Macdonald (2004, 2010, 2012) das Konzept einer »Musical Idea Work Group« als flankierendes Korrektiv zur Auteur-Ideologie zur Diskussion gestellt. Die Grundlage für die Analyse der Produktionsprozesse bilden qualitative und semistrukturierte Insider-Interviews mit den Akteur*innen (vgl. Bruun 2016), die 2020 und 2021 in Kopenhagen stattfanden. Der als Lars Trier geborene Filmemacher hat sich schon frühzeitig als Schöpfer seiner Filme verstanden und inszeniert: »One could say that Lars Trier's project was not primarily to make films but to construct Lars von Trier, the auteur filmmaker« (Schepelern 2004: 111). Schon in der ersten Film-Trilogie »Europa« ist Lars von Trier in allen Filmen präsent: In Europa und The Element of Crime beschränkt er sich auf die seit Alfred Hitchcock recht typischen Cameo-Auftritte eines Autorenfilmers. In Epidemic übernahm er die Hauptrolle des Films und spielte sich selbst, wie er ein Drehbuch für einen Film schreibt, in dem er ebenso die Hauptrolle spielt. In seiner Fernsehserie Riget (The Kingdom; 1994 & 1997) trat er im Abspann jeder Folge auf und stellte sich dem Publikum vor. Zu Beginn von Breaking the Waves erscheint sein Name in gigantischen Großbuchstaben auf der Leinwand. Aber auch außerhalb seiner Filme erregte er Aufmerksamkeit: So legte er nach der skandalösen Pressekonferenz in Cannes 2011 zu Melancholia, in der er durch seine Äußerungen über Hitler einen Eklat auslöste und zur Persona non grata erklärt wurde, ein Schweigegelübde gegenüber der Presse ab und ließ sich im Rahmen der Veröffentlichung seines nächsten Films Nymphomaniac mit einem zugeklebten Mund ablichten. Für Antichrist ließ er sich in Anlehnung an Hitchcock mit einem Raben fotografieren -bloß liegt der Vogel bei Lars von Trier tot zu seinen Füßen, anstatt auf der Schulter zu sitzen. Kurz vor der Pressekonferenz zu diesem Film in Cannes rühmte er sich selbst als »bester Regisseur der Welt« (Schulz-Ojala 2009), und bereits zu Beginn seiner Karriere gab er sich alles andere als bescheiden, wenn er über Europa sagte, dass er im Vorfeld entschieden habe, diesen Film als großartiges Meisterwerk anzulegen (vgl. Schepelern 2000: 118-119). Dass für derlei Projekte die Mitwirkung von Schauspieler*innen nötig ist,