ZusammenfassungDer Einfluß von Sexualsteroiden auf die Hämostase wurde vor allem bei Anwenderinnen von oralen Kontrazeptiva (OCs) und Präparaten für die Hormonersatztherapie (HRT) intensiv untersucht. Es kommt bei beiden Anwendungsformen zu einer östrogenbedingten Aktivierung prokoagulatorischer Prozesse, die dosisabhängig und für das synthetische Ethinylestradiol der »Pille« stärker ausgeprägt ist als für die natürlichen Östrogenkomponenten der HRT-Präparate. Zugleich werden antikoagulatorische und fibrinolytische Prozesse aktiviert, so daß ein Gleichgewicht zwischen Blutgerinnung und Fibrinolyse auf höherem Niveau resultiert. Ungeachtet dessen ist die exogene Anwendung von Sexualsteroiden mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen verbunden, das wahrscheinlich durch genetisch bedingte Veranlagung zu Gerinnungsstörungen bedingt zu sein scheint bzw. durch zusätzliche Risikofaktoren wie Rauchen. In früheren epidemiologischen Studien wurde zunächst eine Risikoerhöhung für thromboembolische Ereignisse bei Anwenderinnen von OCs mit Gestagenen der »3. Generation« im Vergleich zu Präparaten der »2. Generation« gefunden, die mit einer Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C als biologischem Korrelat erklärt wurde. Neuere Studien konnten diese Ergebnisse jedoch nicht bestätigen, wobei Studieneinflüsse wie Anwendungsdauer, Alter der Anwenderinnen und besonderes Verschreibungsverhalten für diese Unterschiede verantwortlich gemacht werden. Arterielle Gefäßverschlüsse werden durch Sexualsteroide offensichtlich nicht induziert, da die direkte gefäßerweiternde Wirkung dieser Substanzgruppe diesen Komplikationen eher vorbeugt. Bei Vorliegen von Risikofaktoren und/oder einer erblichen bzw. erworbenen Prädisposition für Gerinnungsstörungen sollte die exogene Gabe von Sexualsteroiden vermieden oder eine engmaschige Kontrolle des Gerinnungsstatus vorgenommen werden.