›Internationale Politik‹ beobachten: Perspektiven einer empirischen Semantikanalyse politischer Kommunikation der Weltgesellschaft

Abstract

Eine Soziologie internationaler Beziehungen bietet viele Perspektiven, nicht nur aufgrund der theoretischen und thematischen Vielfalt der Soziologie, sondern auch hinsichtlich dessen, was mit ›internationaler Politik‹ 2 als ihr konstituierender Analysegegenstand betrachtet wird. In diesem Beitrag sollen Perspektiven auf die politische Kommunikation der Weltgesellschaft, die sich mit einer empirischen Semantikanalyse eröffnen, vorgestellt werden: Hierfür greifen wir Überlegungen einer systemtheoretisch informierten Wissenssoziologie auf, um damit die ›internationale Politik‹ bzw. das, was als ›internationale Politik‹ gilt, soziologisch zu beobachten. Wir interessieren uns mit anderen Worten dafür, wie ›internationale Politik‹ beobachtet und beschrieben wird, sich selbst beobachtet und beschreibt. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich somit sowohl auf die gesellschaftlichen Konstruktionen der Wirklichkeiten internationaler Politik als auch auf politische Beobachtungen weltgesellschaftlicher Wirklichkeit.Wir werden nachfolgend argumentieren, dass sich mit einer wissenssoziologisch inspirierten Perspektive auf die politische Kommunikation der Weltgesellschaft zum einen (neue) Forschungsgegenstände für empirische Analysen ›internationaler Poli-tik‹ anders erschließen als etwa im so genannten moderaten (Sozial-)Konstruktivismus (vgl. Risse 2003; Ulbert 2005; Wendt 1999) der Internationalen Beziehungen (IB), dessen Aufmerksamkeit sich nur auf bestimmte Konstruktionen wie etwa internationale Normen oder ähnliches richtet. Zum anderen verlangen unseres Erachtens die seit den 1980/90er Jahren beobachteten Transformationen internationaler Politik (gelabelt als ›Globalisierung‹, ›Systemwandel‹, ›Entgrenzung‹, ›Dena-1. 1 Für hilfreiche Kommentare zu früheren Fassungen dieses Beitrags danken wir den Teil-nehmerInnen der Tagung «Soziologie und Internationale Beziehungen« in Steingaden, den KollegInnen im Forschungskolloquium »Internationale Beziehungen/Friedens-und Konfliktforschung« an der Universität Augsburg, den anonymen GutachterInnen des Leviathan sowie in besonderer Weise Stephan Stetter. 2 Auch wenn zwischenzeitlich andere Terminologien in der Politikwissenschaft wie auch der Soziologie gefunden wurden (z. B. globale oder transnationale Politik), die vielleicht besser auf den Punkt bringen, was wir im Weiteren als ›das politische System der Weltgesell-schaft‹, als ›weltpolitisches System‹ oder als den ›weltpolitischen Kommunikationszusam-menhang‹ synonym bezeichnen werden, halten wir an der Semantik ›internationale Politik‹ fest, da diese u. E. immer noch als die sowohl umgangssprachlich als auch wissenschaftlich am weitesten verbreitete Bezeichnung des uns interessierenden Analysegegenstandes gelten kann. Die Rede von der ›internationalen Politik‹ impliziert also nicht, dass wir uns lediglich für inter-nationale oder zwischenstaatliche Beziehungen interessieren.