In diesem Kapitel bespreche ich die theoretischen Modelle, die ich zu meiner Analyse von Billers Texten heranziehe und zeige, wie und warum es Biller gelingt, sich aus der ‚Negativen Symbiose' zu lösen. 134 Ich erörtere zuerst, warum Michel Foucaults Diskurstheorie und Judith Butlers Theorie der Performativität grundlegend für meine Analyse sind. 135 Zweitens zeige ich, welchen Bedingungen jüdische Identität in der deutschen Diaspora unterliegt und welche Möglichkeiten sich für Biller daraus ergeben. Drittens bespreche ich, mit welchen Erzählstrategien Biller diese Bedingungen in und mit seinen Texten herausfordert und überwindet, was ich als Ich-Diskurse verstehe. Diese miteinander verbundenen Erzählstrategien sind erstens die Subversion stereotyper und essentieller Kategorien von Identität, zweitens die Subversion der Grenze zwischen Fakt und Fiktion sowie drittens Billers autobiographische Diskurse. Zuletzt problematisiere ich die Rolle des Lesers in Billers Erzählstrategien und ob bzw. wie sich Billers Ich-Diskurse auf die Gruppe der deutschen Juden auswirken.Mit seinen Texten und seiner öffentlichen Persona positioniert Biller sich zwischen Zugehörigkeit und Unzugehörigkeit zu Juden und Deutschen, Kollektivismus und Individualismus, Fakt und Fiktion und v.a. zwischen den mehrheitlich gängigen Definitionen von jüdischer und deutscher Identität und -damit verknüpft -von jüdischer und deutscher Literatur. 136 Er befindet sich an der Peripherie der Diskurse über jüdische und deutsche Identität und Literatur, die maßgeblich von der ‚Negativen Symbiose' beeinflusst sind. Die Kategorien jüdisch und deutsch werden von der ‚Negativen Symbiose' nicht nur getrennt, sie sind den gesellschaftlichen Machtverhältnissen entsprechend gewichtet und stereotypisiert. Die Juden sind im Verhältnis zu den Deutschen nicht nur die Opfer, sondern auch die Anderen. Individualismus ist ein Privileg der Mehrheit. Eine komplexe, widersprüchliche und individualistische