Die Arbeit Zweiter Weltkrieg und Shoah in der deutschsprachigen hermetischen Lyrik nach 1945 von Jana Hrdličková weist bereits in ihrem Titel auf den Aspekt hin, der sie von den vielen zu der Thematik vorliegenden Studien unterscheidet und den Fokus der Analyse bildet. Die in ihrer Bezugnahme auf den Zweiten Weltkrieg und die Shoah untersuchten Gedichte von Nelly Sachs, Erich Arendt, Ernst Meister, Paul Celan und Ingeborg Bachmann -eine Auswahl von Autor/innen, die in ihrer Begrenzung als repräsentativ verstanden wird -werden ausdrücklich als hermetische thematisiert. Dabei greift die Arbeit die problematische, nicht selten abwehrende oder gar abwertende Charakterisierung der Texte als ,hermetisch' kritisch auf, leugnet jedoch das Dunkle der Texte nicht, sondern sucht die sprachliche und formale Intransigenz in ihrer (zeit-)geschichtlichen Notwendigkeit zu verstehen und aus dieser heraus aufzuschließen. Auch methodisch unterscheidet sich die Arbeit von der einschlägigen Literatur. Widmet sich diese meist einem Gesamtwerk oder aber mehreren nach einem bestimmten Kriterium ausgewählten Einzeltexten, so entscheidet sich die Autorin für die ungewöhnliche Methode der Doppelinterpretation, bei der jeweils zwei Gedichte unterschiedlicher Autorschaft parallel gelesen und unter einem bestimmten Aspekt vergleichend interpretiert werden. Die Zuschreibung des Hermetischen bzw. das Hermetische der Texte selbst wird damit noch einmal gebrochen, zeigt sich doch, dass gerade die scheinbar dunkelsten Stellen sich in der Konstruktion eines Gesprächs der Texte dialogisch öffnen und für eine Annäherung an das hier mit György Konrad als ,Wahnsinn des Jahrhunderts' Bezeichnete produktiv machen lassen.Zunächst wird der Begriff der hermetischen Lyrik ausführlich zu bestimmen und in "Umrisse[n] einer Geschichte des hermetischen Gedichts im deutschsprachigen Raum" (S. 29ff.) zu entfalten gesucht. Die Übersicht reicht dabei von den bekannten Ansätzen der 1950er Jahre bei Benn, Frenzel und Friedrich über so prägende Autor/innen wie Adorno, Hamburger und Szondi bis zu einschlägigen neueren Arbeiten wie denen von Fohrmann und Waldschmidt. Sie erscheint notwendig, weil "der Begriff des Hermetischen im Allgemeinen und der hermetischen Lyrik im Besonderen" (S. 19) zu den wohl vieldeutigsten der Literaturwissenschaft gehört und bis heute keiner überzeugenden Klärung zugeführt worden ist. Vor allem aus zwei Gründen wird er in der vorliegenden Arbeit "mit Vorbehalt verwendet" (S. 27): Erstens steht mit seiner sich sowohl aus der jahrtausendealten Tradition fragwürdiger Hermetik und Esoterik als auch aus stark voneinander abweichenden Dichtungskonzeptionen der Moderne ergebenden Polyvalenz seine Eignung als hermeneutisch produktive Kategorie in Frage, und zweitens "wurde er ja bei den