ZusammenfassungSoziale Ausschließung und Diskriminierung spielen eine wichtige Rolle in
der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Erkrankungen. Dies
könnte Anlass für eine kritische Öffentlichkeit sein,
eine Verbesserung der Behandlungsbedingungen psychisch erkrankter Personen zu
fordern. Stattdessen findet sich in den zeitgenössischen Medien und in
einer kritischen Öffentlichkeit meist eine tradierte Psychiatriekritik,
die sich an den Zuständen vor der Psychiatriereform orientiert,
psychische Erkrankungen romantisiert und deren Behandlungsbedarf verleugnet.
Misslingt die Romantisierung, werden psychisch erkrankte Personen
dämonisiert. Die ideologische Funktion der Replikation einer tradierten
Psychiatriekritik besteht in der Selbstvergewisserung einer neoliberalen
Gesellschaft, die sich von tradierten autoritären
Herrschaftsverhältnissen emanzipiert haben will, in der Abwehr der
Forderung nach angemessener Finanzierung der Versorgung und in der Betonung
individueller Autonomie, die den Betroffenen die Verantwortung für
Wohnungslosigkeit und soziale Verelendung zuschiebt.