Fluoreszenzmikroskopische Identifizierung von Anomalien des Y-Chromosoms

Abstract

Von 97 Gefangenen zweier Strafanstalten in Norddeutschland wurden Mundschleimhautabstriche nach Färbung mit Mepacrin1 (Quinacrine) und Mepacrin-Lost (Quinacrine mustard) fluoreszenzmikroskopisch analysiert; dabei wurden 21 120 Interphasekerne untersucht. Zum Vergleich wurden die Befunde an 6675 Interphasekernen von 12 männlichen und S weiblichen Kontroilpersonen herangezogen. Bei der Mepacrin-Lost-Färbung fand sich ein Y-Körperchen in etwa 70°/o der Zellen von männlichen Individuen. Verschiedene Sonderformen des Y-Körperchens, sogenannte Duplex-und Dreierformen, kamen in 10200/o der positiven Zellen als normale Varianten vor. Bei vier der 97 Gefangenen zeigte sich nach Mepacrinfärbung ein auffälliger Befund im Mundschleimhautabstrich: Bei zweien fanden sich zwei Y-Körperchen in rund 40°/o der Zellen, während bei den beiden anderen ein sehr großes Y-Körperchen, verbunden mit vermehrtem Auftreten von Sonderformen, vorlag. Wir fanden bei der anschließenden Chromosomenanalyse 1. einen 47,XYY-Karyotyp, 2. eine mögliche Y-autosomale Translokation eines zweiten Y-Chromosoms 46,XY,D-,t(?lSq; Yq) + und 3. einen verlängerten langen Arm des Y-Chromosoms als normale Strukturvariante (46,XYq +) in zwei Fällen. Alle 97 Untersuchten der Gefangenengruppe waren X-chromatin-negativ. Bei einem zusätzlich untersuchten Kind mit gemischter Gonadendysgenesie fand sich ein 47,XYY/45,X-Mosaik. Caspersson und Mitarbeiter beschrieben 1969 (8) für verschiedene Acridinfarbstoffe (Mepacrin, Mepacrin-Lost und andere) eine unterschiedliche, aber offenbar spezifische, fluoreszenzmikroskopisch im Ultraviolettlicht nachweisbare Anfärbbarkeit verschiedener Regionen von Chromosomen in Metaphase. Wenig später wiesen sie mit dieser Technik beim Menschen die Existenz eines Bandmusters nach, das für jedes Paar der 22 Autosomen und die beiden Geschlechtschromosomen X und Y spezifisch ist (9-14, 50). Damit konnte erstmals jedes Chromosom individuell charakterisiert, homologe Partner konnten klar erkannt und ihre Zugehörigkeit innerhalb des Karyotyps des Menschen konnte sicher festgelegt werden.