Eine große Anzahl der Fahrbahnplatten von bestehenden Betonbrücken in Europa zeigt nach aktuellen Entwurfsregeln ein rechnerisches Defizit bei der Querkrafttragfähigkeit. Eine bauliche Ertüchtigung ist in den meisten Fällen schwer möglich und sehr teuer. Reale Schadensfälle welche auf ein Querkraftversagen zurückzuführen wären, sind den Autoren nicht bekannt. Dies ist ein Indiz dafür, dass die bestehenden Rechenansätze Reserven aufweisen und das Querkrafttragverhalten von Stahlbetonplatten nicht in ausreichendem Maße verstanden und geklärt ist. Umfangreiche internationale Forschungsaktivitäten zu diesem Thema bestätigen diesen Sachverhalt. Bislang besteht u. a. kein Konsens bezüglich des Nachweisverfahrens (u. a. Querkraft bzw. Durchstanzen), des Nachweisschnitts sowie der Abminderung auflagernaher Einzellasten bei Platten (β‐Faktor).
Zur Klärung dieser Fragen wurden 14 Großversuche an auskragenden Stahlbetonplatten (3,25 × 4,5 m, Dicke 0,25 m) ohne Bügelbewehrung sowie umfangreiche numerische Simulationen durchgeführt. Da die rechnerische Querkrafttragfähigkeit von Brückenfahrbahnplatten maßgeblich durch die konzentrierten Radlasten des Lastmodells 1 bestimmt wird, wurden die Versuchskörper durch konzentrierte Blocklasten mit einer Aufstandsfläche von 40 × 40 cm entsprechend dem Lastmodell 1 des Eurocodes 1 [1] bis zum Versagen belastet. Hierbei wurde der Einfluss der Laststellung, der Lastabtrag bei mehreren Blocklasten sowie der Einfluss verschiedener Bewehrungsgehalte auf die Querkrafttragfähigkeit untersucht. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass übliche Fahrbahnplatten erheblich größere Tragfähigkeiten aufweisen, als sich nach EC2 [2] rechnerisch ergeben.