Einige Bemerkungen zum altmesopotamischen Recht sonderlich nach Quellen in sumerischer Sprache

Abstract

Wer sich mit dem Begriff »Recht« im alten Mesopotamien 2 befaßt, hat sich zunächst mit der Tatsache abzufinden, daß die Sprachen des alten Zweistromlandes, das Sumerische und das semitische Akkadisch, dafür, wie auch für etwa für jedermann verbindliche Konventionen (»Gesetz«), die sich dem Menschen unabhängig von Zeit -oder situationsgebundener Einschätzung zwingend auferlegten, keine spezifische Terminologie entwickelt haben 3 . Zwar hat es zwischen individuellen Personen allerhand Vorgänge gegeben, die einen klar juristischen Charakter aufweisen, wie es etwa die vielen auf uns gekommenen einschlägigen Urkunden mit z.T. festgeprägten Formeln und verschiedenen Termini wie »Richter«, »Pro-1 Der vorliegende Aufsatz soll dazu dienen, der Sumerologie Fernerstehende, vor allem aber Alttestamentler, die vom A.T. her an Fragen des altorientalischen Rechts interessiert sind, einen kurzgefaßten Überblick über den derzeitigen Stand unserer Kenntnis vom älteren Mesopotamischen Recht zu vermitteln. Indem Vf. seiner eigenen Spezialisierung entsprechend dafür vor allem Quellen in sumerischer Sprache benutzt, soll der Aufsatz gleichzeitig dazu dienen, Benutzer des neuen Werkes TUAT in die betreffenden in I/l und 3 aufgenommenen Texte einzuführen. Für die Alttestamentler wird dabei mehrfach auf den Überblick über die Rechtserscheinungen im A.T. durch H. J.Boecker, Recht und Gesetz im Alten Testament und im alten Orient, 1976, verwiesen. Siehe auch das ausführliche Literaturverzeichnis, a. W. 185 ff. und weiter O.Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament 4 , 1976, 23ff. 93f.; O.Kaiser, Einleitung in das Alte Testament 4 , 1978, 59ff., sowie die Artikel von G. Liedke über s/r, söfet und mispät (THAT 2 Brought to you by | Simon Fraser University Authenticated Download Date | 6/1/15 5:38 AM Bestimmtheit dasjenige gekannt, was wir »Recht« zu nennen pflegen »als ein System von anerkannten Konventionen, als eine pragmatisch begründete und weitgehend durch Konsens getragene Ordnung« 5 , die es zu wahren galt. Diese Aufgabe versah vor allem der Landesherr im Auftrag der Götter, auch wenn er sich dabei gelegentlich einer »Differenzierung und Erweiterung des Bestands an Konventionen« 6 bediente 7 .Es kann unser Begriff »Recht« im Sumerischen in etwa sekundär durch die Termini ni-si-sä oder ni-gi-na bezeichnet werden, die an sich vielmehr »Geradheit« bzw. »Beständigkeit« besagen 8 . Wenn ein König seinen Untertanen, wie es z.B. in Königshymnen 9 oder Prologen von Gesetzessammlungen 10 gesagt wird, um sie recht zu leiten ni-si-sä und nigi-na geschaffen hat, so besagt dies, daß er bestrebt war, unter ihnen die bestehende Ordnung aufrechtzuerhalten, die Guten zu beschützen, die Schlechten zu vernichten und die Schwachen gegen die Mächtigen in Schutz zu nehmen. Weiter ist zu denken an die wichtige Aufgabe des Rechtsprechens durch den Fürsten als obersten Gerichtsherrn 11 . Ein besonderes Mittel, »Gerechtigkeit« zu üben war dem König dadurch zur Hand, daß er, wie es die Texte mehrfach erwähnen, durch Erlaß Seisachthien anordnen konnte, wodurch ...