Editorial

Abstract

Es war der Kopenhagener Gipfel des Europäischen Rates, der den Kandidatenländern endlich grünes Licht für den Beitritt zur Europäischen Union im Mai 2004 gab und damit ihre Aufnahme noch vor den Europäischen Parlamentswahlen ermöglichte. Als Erste sagten die Bürgerinnen und Bürger des Inselstaates Malta am 8. März "Ja" zur EU-Mitgliedschaft. Über ein Jahrzehnt nach dem Fall der kommunistischen Regime in Mittelund Osteuropa, nach dem Schock des wirtschaftlichen und politischen Umbaus und nach einem langen und schwierigen Verhandlungsprozess signalisiert der Erfolg des maltesischen Volksentscheids, dass die EU die erste Hürde auf dem Weg zur Einigung Europas erfolgreich genommen hat. Nur wenige Skeptiker bezweifeln, dass die verbleibenden Hürden -Volksabstimmungen in den anderen Beitrittsländern und die Ratifizierung durch die jetzigen 15 Mitgliedstaaten -ebenfalls erfolgreich überwunden werden. Während frühere Versuche einer europäischen Einigung auf die Machtgier von Tyrannen und Diktatoren zurück gingen und zu verheerendem menschlichen Leid sowie Unterdrückung führten, wird die europäische Einigung nun auf der Grundlage des freien Willens der Völker, gestützt auf die demokratische Wertegemeinschaft, und in einer Situation des inneren Friedens und der Stabilität verwirklicht. Die europäische Gewerkschaftsbewegung hat von Anfang an den Prozess der Einigung Europas in den Vordergrund ihrer Politik gerückt. Die frühe Integration von Gewerkschaften der jungen Demokratien Mittelund Osteuropas, ihre Mitgliedschaft mit gleichen Rechten und ihre aktive Beteiligung an der gemeinsamen Gestaltung der europäischen Gewerkschaftspolitik waren entscheidende Beiträge zum Einigungsprozess. Denn dieser Prozess ist auf zahlreiche Probleme gestoßen und wird auch in Zukunft auf neue stoßen. Viele Menschen auf beiden Seiten des ehemaligen "Eisernen Vorhangs" beobachten mit Sorge die spürbaren Veränderungen und Herausforderungen, wie beispielsweise die Migration, den verschärften Wettbewerb, den Ausverkauf des Volksvermögens. Hier muss anerkannt werden, dass tatsächlich Probleme bestehen, die eine geeignete politische Lösung verlangen, nicht nur seitens der Regierungen, sondern auch seitens der Akteure der Zivilgesellschaft, und insbesondere seitens der Gewerkschaften. Es muss klar sein, dass eine solche, historisch bisher einmalige Chance, aktive und wirksame Solidarität braucht: Solidarität ist der beste Weg zum Abbau von Ungleichheiten, die für so viele Sorgen der Menschen verantwortlich sind, und Solidarität ist zudem eine Investition in eine gemeinsame Zukunft.