ZusammenfassungAusgehend von der sozialen Selektivität bei der äußeren Differenzierung und der zunehmenden Verlagerung der Selektionsprozesse in die Regelschulklassen hinein wird der Frage nachgegangen, inwiefern unterschiedliche integrative schulische Maßnahmen entlang der sozialen Herkunft vergeben werden. Dies ist insofern relevant, weil die Maßnahmen Lernzielreduktion, Nachteilsausgleich und integrative Förderung unterschiedliche Zielgruppen fokussieren und sich unterschiedlich auf inhaltliche und formale Bildungsergebnisse auswirken können. Die Studie basiert auf einer Stichprobe aus der Schweiz von insgesamt 1126 Schüler*innen der 5./6. Klassenstufe aus 66 Schulklassen aus dem Kanton Bern. Von den Schüler*innen hatten 71 eine Lernzielreduktion, 51 einen Nachteilsausgleich und 86 integrative Förderung. Die Analysen zeigten, dass Schüler*innen aus Familien mit höherem Sozialstatus häufiger von einem Nachteilsausgleich profitierten, und dies selbst unter Kontrolle von individuellen, kognitiven und schulischen Leistungsmerkmalen. Maßnahmen wie die Lernzielreduktion hingegen wurden häufiger an Schüler*innen aus Familien mit niedrigerem sozialem Status vergeben. Diese Selektivität birgt das Risiko, dass integrative Maßnahmen, die eigentlich dazu gedacht sind, Bildungsungleichheiten zu reduzieren, diese im Gegenteil noch verstärken können. Entsprechend sollten Schulleitungen, Lehr- und Fachpersonen Chancen und Risiken potenziell stigmatisierender Maßnahmen wie die der Lernzielreduktion sorgfältig abwägen und für mögliche soziale Herkunftseffekte bei der Vergabe „vorteilhafterer“ Maßnahmen wie dem Nachteilsausgleich sensibilisiert werden.