ZusammenfassungProduktion, Text und Rezeption sind die Gegenstandsfelder der klassischen, hermeneutischen Literaturwissenschaft. Der Beitrag argumentiert, dass diese Felder auch für die Digitale Literaturwissenschaft zusammengehören. Ergebnisse von Untersuchungen im data rich approach, der Korpusanalysen mit der Analyse von Daten aus der Institutionengeschichte der Literatur verbindet, erhärten die Notwendigkeit, sich stärker mit der Rezeptionsseite der Literatur zu befassen. Dazu gehört die Durchführung von Experimenten, deren empirische Daten in die Daten-Systematik der Literaturwissenschaft integriert werden müssen. Für diese Perspektive greift die rezeptionsästhetische Vorstellung vom ›impliziten Leser‹, der auf Textstrukturen nur reagiert, zu kurz. Vor dem Hintergrund neuer Evidenz aus der Kognitionswissenschaft wird gezeigt, dass Lesen immer auch der Eigengesetzlichkeit der dabei beteiligten kognitiven Prozesse unterliegt. Der ›explizite Leser‹ bietet die Möglichkeit, zentrale interdisziplinäre Fragen wie die nach der Funktionsweise von Aufmerksamkeit, nach der Wirkung von Narrativen oder nach den speziellen Wahrscheinlichkeitskalkülen der Literatur neu zu fassen und dies bei der Analyse zu berücksichtigen.