Wenn Kinder nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern leben können, bestand und besteht bis heute in den verschiedensten Kulturen und historischen Zeiten die Möglichkeit, diese Kinder im Rahmen des eigenen familialen Verwandtschaftsnetzes oder bei zunächst fremden Eltern unterzubringen (Niederberger 1997; Blandow 2004). Die Kinder kommen zu Adoptiv-oder Pflegeeltern oder werdenin einer dritten Variante öffentlich verantworteter Sozialisation und Erziehungin Kinderund Jugendheimen untergebracht. Die Fremdunterbringung kann aus den unterschiedlichsten Gründen notwendig werden, etwa nach dem Tod der Eltern oder eines Elternteils oder heutzutage meist aufgrund multipler Problemlagen wie z. B. in Folge von Armut und daraus möglicherweise resultierender Unterversorgung mit Nahrung, Kleidung und Zuwendung, schwerer chronischer Krankheit, schulischer Probleme von Kindern, Pubertätsprobleme, Gewalt oder sexuelle Übergriffe. Sowohl die Adoptiv-als auch die Pflegefamilien werden von Funcke und Hildenbrand (2009) als ‚unkonventionelle' Familien beschrieben. "Versteht man unter ‚konventionellen' Familien solche, die aus Eltern mit einem gemeinsamen, also leiblichen Kind bestehen, dann liegt das Unkonventionelle an Familien darin, dass in ihnen andere Formen des Zusammenlebens als Familie vorzufinden sind" (Funcke und Hildenbrand 2009, S. 9). Sie sind besonders herausgefordert, genauso "gedeihliche Orte des Aufwachsens von Kindern" zu sein wie ‚konventionelle' Familien. Aus familiensoziologischer Perspektive (Steinbach et al. 2014, S. 41-70) stellen Adoptiv-und Pflegefamilien Familienformen dar, bei denen eines der konstitutiven Merkmale von Kernfamilien, nämlich ihre ‚biologisch-soziale Doppelnatur' (König 1974, S. 61) nicht gegeben ist. Dieser nicht aufhebbare Strukturunterschied resultiert aus den unterschiedlichen Konstitutionsbedingungen von konventionellen Familien einerseits und Adoptiv-und Pflegefamilien andererseits. Vor diesem Hintergrund beschreiben Parsons (2016) und Oevermann (1997, S. 109-140) die Sozialbeziehungen in leiblich konstituierten Familien als diffus, offener gestalt-und lebbarer, das heißt nicht an bestimmte oder festgelegte Themen und Erwartungen innerhalb der Gruppe gebunden. Die Familienmitglieder sind nach diesem strukturfunktionalistischen Verständnis nicht austauschbar, es bestehen lebenslange, auch rechtliche Verbindungen und ungeteilte, nicht eingeschränkte wechselseitige Solidaritätsverhältnisse einschließlich einer Unendlichkeitsfiktion (Gehres 2016, S. 43-48; Funcke und Hildenbrand 2009, S. 13-32). Davon unterscheiden sich Adoptiv-und Pflegefamilien in mehrerlei Hinsicht, beginnend mit der Begründung ihrer Sozialbeziehungen qua Vertrag (bei Pflegefamilien) und per Gerichtsentscheid (bei Adoptivfamilien) und nicht durch die Geburt der jeweiligen Kinder. Die Grenze im heuristischen Sinne verläuft zwischen ‚konventionellen' und ‚unkonventionellen'