ZusammenfassungSeit Endes des 19. Jahrhunderts, als die Erforschung des römischen Mithraskultes einsetzte, hat die Frage nach etwaigen Verbindungen dieses Kultes mit der iranischen Religion eine wichtige Rolle gespielt. Weithin unterscheidet man die Theorien, die über mögliche Ursprünge des Mithraismus und dessen Verbindung zum Iran entwickelt wurden, in drei Gruppen: eine „starke iranische These“, die den römischen Mithraskult als eine „iranische Religion” im Römerreich versteht; eine „schwache iranische These”, die besagt, dass die Kernelemente des Mithraskultes genuin iranisch sind, allerdings durch Veränderungen im Westen stark modifiziert wurden; eine „radikale Position“, die etwaige Verbindungen des Kults mit dem Iran verneint oder für nebensächlich hält. Ich bin der Meinung, dass die „starke iranische These“ veraltet ist und dass sich somit jegliche Diskussion hierüber schlichtweg erübrigt hat. Der römische Mitraskult und der Kult um Mithra in der iranischen Religion waren de facto zwei unterschiedliche Kulte. Nichtsdestotrotz gibt es zwischen dem römischen Mithras und dem iranischen Mithra vielfältige Verbindungen. Im vorliegenden Aufsatz setze ich mich kritisch mit einigen Anhaltspunkten, von denen man die letztlich ungebrochene Kontinuität zwischen der Mithra-Verehrung und dem kaiserzeitlichen Mithraismus abzuleiten versucht, auseinander und befrage sie jeweils auf ihre Plausibilität hin, eine solche fundiert herzustellen.