‘Der Wechsel von einem vertrauten Element in das andere, fremde’: Das Schwimm‐Motiv in der deutschen Gegenwartsliteratur

Abstract

In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur häuft sich das Motiv des Schwimmens. Es wird als Tätigkeit des Grenzgangs mit Fragen nach Integration und Synthese, Erinnerung und Narration verbunden, ohne jedoch die Brüchigkeit solcher utopischer Konzepte zu leugnen. Der Akt des Schwimmens setzt diese und weitere Fragen präzise ins Bild. Gerade in der zeitgenössischen Kunst wird das Schwimm-Motiv zum paradigmatischen Zeichen für eine behutsame Suche nach neuen Orientierungen und Verortungen.Es gibt wirklich, allen Turnlehrern zum Trotz, eine beachtliche Anzahl von Geistesprodukten, die von kränklichen oder zumindest körperlich stark verwahrlosten Leuten hervorgebracht wurden, von betrüblich anzusehenden menschlichen Wracks, die gerade aus dem Kampf mit einem widerstrebenden Körper einen ganzen Haufen Gesundheit in Form von Musik, Philosophie oder Literatur gewonnen haben. 1 Auch wenn Bertolt Brecht 1926 mit diesen Worten der wachsenden Sportbegeisterung seiner Schriftstellerkollegen ironisch Einhalt zu gebieten scheint, kann doch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Annäherung der Literatur an den Sport konstatiert werden, die das Selbstbild mancher Autoren bis in unsere Gegenwart hinein prägt. Der Sportler ist nicht nur für Marieluise Fleißer 1927 der 'Repräsentant des modernen Zeitgefühls', 2 Sport wird vielmehr zum Symbol der Modernität und der Modernitätskritik gleichermaßen. Mindestens für die 20er Jahre gilt nicht, was Marcel Reich-Ranicki in seiner Glosse Betrifft Literatur Sport und konstatiert: Sport spiele in der Literatur keine Rolle, ja Sport und Literatur seien 'im Grunde feindliche Brüder'. 3 Heute widerlegen Autoren wie Albert Ostermaier (Oden an Kahn), F.C. Delius (Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde) und Thomas Brussig (Schiedsrichter Fertig. Eine Litanei bzw. Leben bis