Der Ritter mit dem Bock. Konrads von Stoffeln ,Gauriel von Muntabel‘.

Abstract

So wie der gmoz ,falsch' verwendet oder gar verweigert wird, so zeigt sich auch an vielen anderen Stellen, daß Ordnungen negiert, pervertiert oder zerbrochen, auch in den einzelnen Handlungsschritten durch andere konterkariert werden. Und wenn die Interaktionsregeln destruiert werden, dann auch die der Kommunikation. Wenn keine ,richtige', regelgerechte Kommunikation mehr möglich ist, können sich die Personen nicht mehr ,richtig* verhalten. Der Text erzählt den Prozeß dieses zunehmenden Ordnungsverlustes. "Ziel der Bewegung ist im ,Nibelungenlied' nicht eine Lösung, sondern die Auflösung" (S. 435). Gemeint ist bei Müller nun nicht,Auflösung' einer heroischen Welt als Verfehlung einer Person ("Wie nun ward Kriemhild zur Unholdin?") oder als eines zu kritisierenden Verhaltens einer Gruppe (der Nibelungen) -das ,Nibelungenlied' ist kein pädagogischer Text. ,Auflösung', Dekonstruktion zielt, wenn der Dichter sich immer und immer wieder gegen schon gesetzte Positionen wendet, wenn er scheinbar Widersprüchliches erzählt, wenn er Ordnung gegen Ordnung ausspielt, auf die ästhetische Verfaßtheit des Textes. In dieser Perspektive sind auch die beiden gegenläufigen Tendenzen des Buches -das Aufzeigen von , Widersprüchen' im Text und die Demonstration von durchaus konsistenten Handlungsregeln -aufeinander bezogen; denn einerseits bleibt der Text auf die Integration von äußer-literarischen Regeln angewiesen, anderseits verweigert er sich der platten Abbildung. In dieser Spannung kann sich literarische Qualität entfalten. Dem Buch Müllers liegt die Einsicht zugrunde, "daß der Rang eines komplexen Kunstwerks darin besteht, Heterogenes, Bruchstückhaftes, Dissonantes, selbst Widersprüchliches" (S. 435) zusammenzufügen. Müllers faszinierendes Buch ist ein eindrückliches Plädoyer für diese Sicht auf die Verfahrensweise des Erzählers, auf ein durchdachtes, beabsichtigtes Aufheben von Positionen, ein Erzählen von und in Alternativen, ja in Widersprüchen. Der Befund, den Müller weitgehend mit Heinzle teilt, ist damit vollkommen anders gedeutet. Aber gilt Müllers Einwand Heinzle gegenüber, daß er mit modernen Maßstäben urteile, nicht auch hier, wenn die Selbstaufhebung als ästhetisches Prinzip dem Nibelungenlied-Oichter supponiert wird (vgl. S. 455)? Man darf auf die weitere Diskussion gespannt sein. Ernst-Abbe-Platz 3 0-07740 Jena Der Ritter mit dem Bock. Konrads von Stoffeln ,Gauriel von Muntabel'. Neu hg., eingeleitet und kommentiert von Wolfgang Achnitz. (Texte und Textgeschichte 46) Niemeyer, Tübingen * * Eine Neuedition des Gauriel von Muntabel, des vielleicht letzten deutschen Artusromans, war seit langem ein dringendes Desiderat. Mit der umfangreichen Münsteraner Dissertation von Wolfgang Achnitz wird nun endlich die völlig unzureichende Ausgabe von Ferdinand Khull (Graz 1885) abgelöst. Khull war bei seiner Edition der teilweise stark gekürzten Fassung der Hand-Brought to you by | provisional account Unauthenticated Download Date | 6/23/15 8:07 AM