Der Mensch denkt und die Institution lenkt: Zur Reformfähigkeit von Staat und Gesellschaft am Beispiel der deutschen Arbeitsmarktpolitik

Abstract

EinleitungSind Staat und Gesellschaft in Deutschland fähig zur Reform? Sie sind es -freilich in Grenzen. Ich möchte dies am Beispiel der deutschen Arbeitsmarktpolitik demonstrieren, denn gerade in diesem Feld scheint die vorherrschende Theorie der Reformblockade unschlagbar. Die Bedingungen der Vollbeschäftigung, so das Argument, haben sich gewandelt. Um dieses Ziel zu erreichen, seien grundlegende Reformen notwendig, wie es erfolgreiche Länder der EU demonstriert hätten. Deutschland sei jedoch seit drei Jahrzehnten von diesem Ziel weit entfernt, und das Land scheine sich -wie das Überschreiten der Tabugrenze von fünf Millionen Arbeitslosen zu Beginn 2005 zeigenoch weiter davon zu entfernen. Also seien Staat und Gesellschaft in Deutschland nicht reformfähig.Gegen diesen Dreisatz ist logisch nichts einzuwenden. Angesichts der Macht der Fakten wäre es vermessen, von einer ausgeprägten Reformfähigkeit zu sprechen. Auch die sich verbessernde Arbeitsmarktlage ist noch kein Grund zur Entwarnung. Was berechtigt dennoch zu einer optimistischeren Sicht? Legt man die dreistufige Prüfliste von Peter Hall (1993) an, ist die Reformblockadethese mit einigen jüngeren Reformen schwer vereinbar. Neben der Riesterreform (Trampusch 2006) drehen auch die so genannten Hartz-Gesetze nicht nur an der Schraube von Beiträgen oder Leistungen (Halls erste Stufe), und sie führen nicht nur neue Instrumente wie Kontraktmanagement oder ergebnisorientierte Budgetzuweisung ein (zweite Stufe). Sie setzen auch neue Ziele wie aktives Altern statt Frühverrentung und schneiden mit der Verschmelzung von Sozial-und Arbeitslosenhilfe massiv in das Sozialgefüge der am Status orientierten Einkommenssicherung ein, sodass sie der dritten Stufe großer Reformen nahe kommen.Allerdings wird genau an dieser Stelle ein wunder Punkt sichtbar, der jeden Reformoptimismus dämpfen muss. Zwar rüttelt diese Reform -wie der Aushandlungsprozess im Vermittlungsausschuss im Dezember 2003 dramatisch vorführte -selbst an den Grundfesten der föderalen Struktur des Landes. Aber die Einrichtung der "Arbeitsgemeinschaften" (ARGEn), die nun für die Integration der Grundsicherungsempfänger